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Foto: Volker Lippmann

Unterhaltsames Virus

27. März 2014

„Agonie und Ekstase des Steve Jobs“ im Tiefrot – Theater am Rhein 04/14

Der Zuschauerraum ist mit Computer-Konsolen- und Science-Fiction-Relikten aus den 80ern dekoriert, die Bühne elegant und aussagekräftig mit weißer Leinwand und weißem Hocker eingerichtet. Vergangenheit und Gegenwart des späten Steve Jobs. Barfuß wie einst der Apple-Guru und im schicken Kreativen-Outfit tritt Schauspieler Patric Welzbacher auf. Er gesteht: „Ich bin ein Technik-Fan.“ Sogar ein „Appleleptiker“ sei er; einer, der angesichts der Design-Gadgets in Ekstase gerät und Nachdenken über das Betriebssystem für ein reflektiertes Leben hält. Agonie findet der namenlose Protagonist – ein Alter Ego des New Yorker Künstlers und Autors Mike Daisey – schließlich in China vor. Dort spannt der Smartphone-Zulieferer Foxconn lieber Auffangnetze für Selbstmörder zwischen den Hochhäusern, anstatt für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen. Zwischen reportagehafte Passagen aus einer Sonderwirtschaftszone schieben sich immer wieder Stationen der Entwicklung der einstigen Garagenfirma zum führenden Lifestyle-Giganten und der Biografie von Steve Jobs. Daiseys Theatermonolog steht als kostenloses Open-Source-Material im Internet; bisher gab es über 130.000 Downloads und mehr als 40 internationale Inszenierungen. Theaterpreisträger Janosch Roloff vom nö theater warnt sein Publikum im Prolog eindringlich vor dem Text: „Dieses Stück ist ein Virus!“ Seine Inszenierung steckt voller pointierter Details in Bewegungs- und Sprechmustern, von der obligatorischen Wisch-Bewegung bis zu kleinen Abstürzen, tänzelnden Jobs-Schritten oder schwerfälligen Chewbacca-Moves des Jobs-Kompagnons Wozniak. Der Text (Dramaturgie: Klaus Fehling) ist fesselnd und flüssig; wie Patric Welzbacher ihn umsetzt, ist lebendig und eloquent – eine herausragende komödiantische Leistung. Ob es allerdings die beste Entscheidung war, den rund 75-minütigen Abend wie ein Stand-up-Programm anzulegen, ist fraglich. Wenn sich die zweifellos unterhaltsamen und witzigen Momente stärker einprägen als die kritischen Töne, ist im politisch-aufklärerischen Sinne – der ja offenbar hinter dem Projekt steht – vielleicht zu wenig gewonnen. Schön wäre es trotzdem, wenn dieses Virus seine Wirte nachhaltig beeinflusst.

„Die Agonie und die Ekstase des Steve Jobs“ | R: Janosch Roloff | 3.-5.4. 20 Uhr | Theater Tiefrot | 0221 460 09 11

JESSICA DÜSTER

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