1993 realisierte Sasha Waltz in Berlin ein interdisziplinäres Projekt mit dem Titel „Dialoge“. Im Anschluss daran entstand mit der neugegründeten Kompanie Sasha Waltz & Guests der erste Teil der „Travelogue-Trilogie“: TWENTY TO EIGHT, der erste Teil der Trilogie, war jetzt – fast 18 Jahre später – als Gastspiel der Oper Köln im Palladium zu sehen. So sehr die Arbeit von Sasha Waltz generell zu schätzen ist, so ist es trotzdem fraglich, ob das etwas angestaubte Stück, welches Rituale und Gewohnheiten einer 5er WG – auch den Zusammenprall des Männlichen und Weiblichen in der WG-Küche – offenlegt, aktuellen ästhetischen Maßstäben und dem Interesse an aktuellem Tanz in Köln gerecht wird. Die Besetzung war zweifellos erstklassig und spannend, die hohen Erwartungen konnte das Gastspiel trotzdem nicht erfüllen. Im Juli wird die Reihe an der Kölner Oper mit einer Arbeit von Maurice Béjart fortgesetzt. 1927 in Marseille geboren gilt Béjart als großer Erneuerer des Balletts, der 1959 mit seiner Choreografie SACRE DE PRINTEMPS bekannt wurde und 2007 im Alter von 80 Jahren verstarb.
Ob große, teure Namen mit (ur)alten Stücken wirklich die Lösung sind, um die Leerstelle des Nichtvorhandenseins einer städtischen Tanz-Kompanie und eines Kölner Tanzhauses zu füllen und Köln den Titel „Tanzstadt“ einzubringen – Zweifel sind angebracht.
Positiv fällt da auf, dass das Schauspiel Köln, nach der mutigen Produktion MONKEY SANDWICH des belgischen Choreographen Wim Vandekeybus im November, am 19. und 20. Februar die Kölner Kompanie MOUVOIR/Stephanie Thiersch mit ihrer neuen Produktion „as if (we would be)“ in der Halle Kalk als Koproduktion präsentiert: In der Arbeit mit sieben Tänzern geht es um die nachahmende (mimetische) Funktion in der menschlichen Kommunikation. Untersucht wird die Idee der An- und Einpassung der Menschen in das moderne Berufsleben als Überlebensstrategie und das „Aus dem System Fallen“ als einzigartiger Akt der Kreation. Im Zentrum des Stückes, das die Elemente Tanz, Tableaux Vivants und Video-Essays ästhetisch verschränkt, steht neben den Akteuren auf der Bühne die Videoarbeit der Medienkünstlerin Angela Melitopoulos. Das Schauspiel Köln macht hiermit einen begrüßenswerten Schritt auf Kölns Freie Theater- und Tanzszene zu und öffnet die Halle Kalk als Forum für eine der herausragenden Kompanien der Stadt und NRWs. In Zeiten, da sämtliche Tanz- und Theaterhausprojekte im Zuge der „Sparmaßnahmen 2011“ auf Eis gelegt wurden, spendet diese Initiative Hoffnung, dass herausragende Produktionen der Kölner Szene auch zukünftig angemessen in ihrer Heimatstadt präsentiert werden können. Mehr Mut bei auswärtigen Tanzgastspielen in der Kölner Oper wäre hingegen anzuraten. Karin Beier hat es mit ihren Arbeiten doch vorgemacht, dass aktuelle, kontroverse, hochklassige Arbeiten vom Kölner Publikum goutiert werden.
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