Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28

12.557 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

„Nichts“
Foto: Meyer Originals

Supermarkt der letzten Fragen

22. Dezember 2016

Futur3 und sein Theater-Essay über „Nichts“ – Theater am Rhein 01/17

Sektierer treffen sich gerne im Verborgenen, und so müssen die Zuschauer erst mal in den Keller der Orangerie. Dort gibt’s eine graue Kutte und dann wandern die Jünger des Nichts in den Theatersaal. „Nichts“ lautet der Titel der neuen Produktion von Futur3. Es geht um die Frage, warum immer etwas und nicht einfach mal nichts sein kann.

André Erlen und Stefan H. Kraft greifen schwer in die Saiten: Die Frage nach dem Nichts stellt die Frage nach dem Anfang des Universums. Aus dem Off werden physikalische Positionen und mythisch-philosophischen Positionen gegenübergestellt, die André Erlen im gemusterten Jackett mit blonder Perücke und Stefan H. Kraft mit Menjoubärtchen, Hut und Hippiekette mitsprechen. Dazu rauscht und wummert eine ziemlich eindrückliche Soundcollage von Jörg Ritzenhoff. Auf sandbedecktem Boden stehen mehrere Objekte aus Reifen, Tonnen, Kreuzen, Säcken, die sich plötzlich zu einer Kettenreaktion in Bewegung setzte – und prompt ist das Universum da. Freude schöner Götterfunken krächzen Violine und Trompete. Dann haben Gott und Mephisto aus Goethes „Faust“ ihren Auftritt und streiten über den Zustand der Welt. König Midas tritt als Schläger auf, der dem Satyr Silen Weisheiten abpresst wie die, dass es am besten für den Menschen wäre, nie geboren zu sein oder nach der Geburt gleich zu sterben.

Es ist ein Assoziationsreigen, der sich an Lutger Lütkehaus‘ vor einiger Zeit erschienenes Buch über das Nichts anlehnt, sich aber doch ziemlich spielerisch oder auch willkürlich durch den Supermarkt der Letztbegründungen assoziiert. Eine Collage, die zwangsläufig bei der Frage nach dem Bleibenden landen muss. Kraft spielt mit Erlen Hoppe-Hoppe-Reiter und propagiert Zeugung von Kindern als Hilfe gegen die existentielle Einsamkeit, um kurz darauf als Kreuzritter Antonius Block aus Ingmar Bergmanns Film „Das Siebte Siegel“ seine Zweifel am Glauben rauszubrüllen und im Schachspiel vom Tod Aufschub für die Sinnsuche zu ertrotzen. Den sucht am Ende auch der Zuschauer, eher verwirrt als klarsichtig.

„Nichts“ | R: Futur3 | WA im Herbst | Orangerie | 0221 952 27 08

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Civil War

Lesen Sie dazu auch:

Wege aus der Endzeitschleife
„Loop“ von Spiegelberg in der Orangerie – Theater am Rhein 04/24

Das Theater der Zukunft
„Loop“ am Orangerie Theater – Prolog 04/24

Musik als Familienkitt
„Haus/Doma/Familie“ am OT – Theater am Rhein 03/24

Falle der Manipulation
„Das politische Theater“ am OT – Theater am Rhein 02/24

„Wir wollten die Besucher:innen an einem Tisch versammeln“
Subbotnik zeigt „Haus / Doma / Familie“ am Orangerie Theater – Premiere 02/24

Radikaler Protest
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Theater am Rhein 01/24

Was ist hinter der Tür?
„Die Wellen der Nacht …“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/23

Trauma und Identität
„Mein Vater war König David“ in Köln – Theater am Rhein 10/23

Die extremste Form des Protests
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Prolog 10/23

Überleben im männlichen Territorium
Festival Urbäng! 2023 im Orangerie Theater – Prolog 09/23

„Mir war meine jüdische Identität nie besonders wichtig“
Lara Pietjou und Regisseur Daniel Schüßler über „Mein Vater war König David“ – Premiere 09/23

Offen für Genreüberschreitung
Open Mind Festival in der Orangerie – Musik 06/23

Theater am Rhein.

Hier erscheint die Aufforderung!