„Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben“ (Rilke), treffender kann man die Situation von Wohnungsmarkt, Corona, Energiepreisen, Einsamkeit kaum beschreiben. Das Theaterensemble subbotnik hat seine neueste Performance „Haus/Doma/Fest“ (Teil einer umfassenden Reihe von Haus/Doma/Fest bis Haus/Doma/Erbe) überschrieben: Man ist zu einer Einweihungsparty für ein noch zu bauendes Haus geladen. Sieben runde Tische stehen für jeweils sieben Personen bereit, die mit Brot, Wein, Wasser und eingelegtem Rettich verköstigt werden. Oleg Zhukov zeigt das Pappmodell eines Hauses herum. Das Haus wird als soziales Subjekt im Verbund mit anderen Häusern thematisiert, Nadja Duesterberg beschreibt mit einem Hauskarton überm Kopf seine Grenzfunktion zwischen Innen und Außen.
In der bekannten low-dramaturgie von subbotnik verbinden sich Erzählung, Konzert, Scharade und viel dramaturgischer Raum, der Zeit für gemeinsames Essen, Trinken und Gespräche des Publikums lässt. Ins Zentrum rückt die Frage nach dem Haus als Ort der Sozialisation und der Erinnerung. Martin Kloepfer schreitet schließlich zur Tat und baut aus Dachlatten die Umrisse eines Hauses um einen Tisch herum: Ein Haus im Haus des Orangerie Theaters also, das auf die Infrastruktur jedes Gebäudes mit seinen Wohnungen als Schutzräumen anspielt. Das Metapherngeflecht, das subbotnik entwickelt, wird im Laufe des Abends fast unüberschaubar, doch das Ensemble breitet diesen Assoziationsteppich derart sympathisch, beiläufig und kulinarisch aus, dass man gar nicht merkt, wie sehr man mit Ideen infiziert wird.
Haus/Doma/Fest | R: subbotnik | Orangerie Theater | subbotnik-theater.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Was ist hinter der Tür?
„Die Wellen der Nacht …“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/23
Trauma und Identität
„Mein Vater war König David“ in Köln – Theater am Rhein 10/23
Die extremste Form des Protests
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Prolog 10/23
Überleben im männlichen Territorium
Festival Urbäng! 2023 im Orangerie Theater – Prolog 09/23
„Mir war meine jüdische Identität nie besonders wichtig“
Lara Pietjou und Regisseur Daniel Schüßler über „Mein Vater war König David“ – Premiere 09/23
Offen für Genreüberschreitung
Open Mind Festival in der Orangerie – Musik 06/23
Identitäre Spiegelungen
„Der blinde Fleck“ in der Orangerie – Theater am Rhein 06/23
Stupende Aktualität
„Das große Heft“ in der Orangerie – Theater am Rhein 04/23
Harte Realitäten, radikale Utopien
1. ROAR-Festival in der Orangerie – Bühne 03/23
„Kein radikaler Bruch, sondern ein Übergang“
Sarah Youssef über ihre Pläne für das Orangerie Theater – Premiere 02/23
Messias des Kapitals
„Midas / Heimat“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/22
Kurort ohne Dinge
„These are a few of my favourite things“ in der Orangerie – Prolog 11/22
Welt ohne Männer
„Bum Bum Bang“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 12/23
Weiter mit der Show
„Von Käfern und Menschen“ am TiB – Theater am Rhein 11/23
Ende der Zivilisation
„Eigentum“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 11/23
Menschliche Abgründe
„Mister Paradise“ am FWT – Theater am Rhein 11/23
Waffe Mensch
nö Theater in der Stadthalle Köln – Theater am Rhein 10/23
Komik der Apokalypse
„Die Matrix“ im Theater der Keller – Theater am Rhein 10/23
Rechtfertigung auf Skiern
„Der Nachbar des Seins“ am FWT – Theater am Rhein 08/23
Das digitale Paradies
Ensemble 2030 im Theater der Keller – Theater am Rhein 07/23
Metaebene der Clowns
„Clowns“ in der Studiobühne – Theater am Rhein 07/23
Frauen und Krieg
„Die Troerinnen“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 06/23