Wollen oder nicht wollen, das ist gar keine Frage in diesem Shakespeare-Stück. Denn „Der Widerspenstigen Zähmung“ beginnt mit hastigen Heiratsanträgen, väterlichen Vetos und männlichem Besitzergreifen. Erst verguckt sich Lucentio in Bianca, die jüngere der beiden Töchter Baptistas. Lucentio will sie zum Traualtar schleppen. Das Familienoberhaupt besteht jedoch darauf, dass erst Katharina, die ältere der beiden Töchter, ins Brautkleid schlüpft, die wiederum mit ihrem Singledasein zufrieden ist.
Für Lucentio ergeben sich nun zwei Probleme, die er im Laufe des Stücks lösen will: Zunächst mausert er sich zum toxischen Wedding-Planner, um Katharina einen Gatten zuzuspielen – nach dem Shakespeare-Motto: „Will you, nill you, I will marry you“. Und schließlich tauchen auch noch Rivalen auf, die ebenso um die Gunst von Bianca buhlen. Shakespeare spinnt daraus einen prototypischen Screwball-Comedy-Plot, der in der gebrochenen „Widerspenstigkeit“ (lies: Selbstbestimmung) der Töchter mündet. Das währt bis Katharina in der Schlussrede einen bedingungslosen Gehorsam gegenüber dem Mann predigt. Untermauert von Lucentio: „Sie ist mein Gut, mein Hab und Gut, sie ist mein Haus, mein Hausrat, mein Feld, meine Scheune, mein Pferd, mein Ochse, mein Esel, mein Ding“.
Es ist also keine Überraschung, dass insbesondere feministische Literaturwissenschaftler dieses Shakespeare-Stück kritisierten. Seinen schrillen Geschlechterkampf adaptierte in den späten 1960er Jahren schließlich John Cranko. Der britische Choreograph übernahm 1961 die Leitung des Stuttgarter Balletts, wo er sich von abstrakten Ballettabenden verabschiedete. Stattdessen erneuerte Cranko das Handlungsballett, indem er klassische Stoffe von Shakespeare bis Puschkin in tänzerische Bewegungen verflüssigte.
Die 1969 uraufgeführte Fassung nach der Musik des Barockkomponisten Domenico Scarlatti, die Kurt-Heinz Stolze in elegante Klavier-Sonaten übersetzte, gilt seither als Klassiker. Nach einem USA-Gastspiel der Cranko-Compagnie sprachen Kritiker der New York Times von einem „Stuttgarter Ballettwunder“. An dieses wagt sich nun dieCompagnie des Aalto-Balletts mit den Essener Philharmonikern.Dieses Ensemble verspricht einen Ballett-Abend, der sich von den verkrusteten, misogynen Dialogen der Shakespeare-Vorlage freitanzt.
Der Widerspenstigen Zähmung | 30.10., 6.11. 19 Uhr, 17., 18., 26.11. 19.30 Uhr, 28.11. 18 Uhr | Aalto-Theater Essen | 0201 81 22 241
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