NatNike ist keineswegs so siegreich, wie ihr Name vorgibt. Kaum hat die Bloggerin ihren 250.000 Followern Aluminiumkannen und Brotdosen schmackhaft gemacht, wird sie Opfer ihrer eigenen Profession. Bots schieben ihr die Wunderformel „GoldenV“ unter und schon preist die nerdige Influencerin (Asta Nechajute) dieses Wunderprodukt einer Landwirtschaft ohne Natur an. Zwischen zwei mit Kabeln versehenen Zugstangen und Pizzaschachteln hockt sie vor ihrem Bildschirm und haut ihr ökologisch verbrämtes Advertising heraus.
Regisseurin Andrea Bleikamp und das Ensemble theater-51grad um Dramaturgin Rosi Ulrich verbinden in ihrem Stück „The Influencer“ allerdings das Phänomen des Bloggens zusätzlich mit dem Machtkampf von Großkonzernen. Dieser Kampf der Giganten namens GoogleGlobe und MonSpy – vulgo: Google und Monsanto – wird ausschließlich als Hörspiel zwischen Managertalk, Börsenberichten und Aufstandsreportagen ausgespielt. Doch wie schon das Phänomen der Bloggerin kratzt auch dieser fiktive Kampf von Großunternehmen um die weltweite Nahrungsmittelproduktion allenfalls an der Oberfläche. Als dritte Ebene lässt eine Erzählerstimme zudem den Mythos von Jason, Medea und den Raub des Goldenen Vlieses (= GoldenV) Revue passieren. Die Form des Thrillers verleiht dem Abend zwar eine unterhaltsame Form, doch die Verbindung zwischen den drei Ebenen bleibt eher willkürlich. Die Verlagerung des Kriegs der Konzerne ins Akustische verdeutlicht zudem deren Un(an)greifbarkeit. Die Parallelisierung mit dem Diebstahl Jasons schließlich verleiht dem Kampf obendrein eine mythologische zeitlose Komponente. Eine finale Erkenntnis, die dann doch stutzig macht.
„The Influencer“ | R: Andrea Bleikamp | 29., 30.11., 1.12. 20 Uhr | Orangerie | 0221 952 27 08
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Die extremste Form des Protests
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Prolog 10/23
Überleben im männlichen Territorium
Festival Urbäng! 2023 im Orangerie Theater – Prolog 09/23
„Mir war meine jüdische Identität nie besonders wichtig“
Lara Pietjou und Regisseur Daniel Schüßler über „Mein Vater war König David“ – Premiere 09/23
Offen für Genreüberschreitung
Open Mind Festival in der Orangerie – Musik 06/23
Identitäre Spiegelungen
„Der blinde Fleck“ in der Orangerie – Theater am Rhein 06/23
Stupende Aktualität
„Das große Heft“ in der Orangerie – Theater am Rhein 04/23
Harte Realitäten, radikale Utopien
1. ROAR-Festival in der Orangerie – Bühne 03/23
„Kein radikaler Bruch, sondern ein Übergang“
Sarah Youssef über ihre Pläne für das Orangerie Theater – Premiere 02/23
Messias des Kapitals
„Midas / Heimat“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/22
Kurort ohne Dinge
„These are a few of my favourite things“ in der Orangerie – Prolog 11/22
Reflexion oder Reaktion?
Urbäng! Festival mit Sonderausgabe zur Ukraine – Festival 10/22
Brot und Salz
subbotnik mit „Haus/Doma/Fest“ – Theater am Rhein 10/22
Rechtfertigung auf Skiern
„Der Nachbar des Seins“ am FWT – Theater am Rhein 08/23
Das digitale Paradies
Ensemble 2030 im Theater der Keller – Theater am Rhein 07/23
Metaebene der Clowns
„Clowns“ in der Studiobühne – Theater am Rhein 07/23
Frauen und Krieg
„Die Troerinnen“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 06/23
Perforierte Sprachgrenze
Die Studiobühne zeigt „Total“ – Theater am Rhein 05/23
Erziehung zur Empathielosigkeit
„Das große Heft…“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 05/23
Kreativität des Erinnerns
subbotnik: „Haus/Doma/Lustdorf“ – Theater am Rhein 04/23
Spätes Licht
Studiobühne zeigt „Nachttarif“ – Theater am Rhein 04/23
Politische Wucht
„Cotton Club“ in Bonn – Theater am Rhein 03/23
Doller kuscheln
„Gott des Gemetzels“ am Schauspiel – Theater am Rhein 03/23
Die Ehre, sterben zu dürfen
„Leutnant Gustl“ am Bauturm-Theater – Theater am Rhein 02/23