Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 31
1 2 3 4 5 6 7

12.554 Beiträge zu
3.784 Filmen im Forum

Foto: Mike Kleinen / Stagemoments

Messias des Kapitals

12. Dezember 2022

„Midas / Heimat“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/22

Die Idee ist eigentlich interessant: König Midas besitzt die Fähigkeit, alles, was er berührt, in Gold zu verwandeln. Regisseur und ChoreographKristóf Szabó macht aus dem royalen Alchimisten die Inkarnation eines kapitalistischen Messias. Sein Credo ist, dass er das menschliche Sinnvakuum mit der Wertstellung aller Güter versieht. Er predigt radikale Diesseitigkeit, Gegenwärtigkeit und Entkörperlichung (also: Digitalisierung).

Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die Natur, also Flora und Fauna. Sie haben ihre Fürsprecher in Midas‘ Ehefrau Hebe (Juliana Wagner), Großmutter Kybele (Julia Karl) und Sohn Creo (Jan Hofmann). Während der Sohn klassisch ödipal an Mutters und Großmutters Rockzipfel hängt, pflegt Midas (Maximilian von Mühlen) zwischen unendlich vielen weißen Pappkartons nur noch narzisstischen Umgang mit seinem Schatten (Caspar Pop). Das Setting hat man nach 15 Minuten verstanden, doch der künstlerisch aufgeblähte Abend entfaltet nicht nur Midas‘ Position in langen pseudophilosophisch-redundanten Schleifen; wenn der Alchimist seine Ehefrau schließlich vergoldet, muss nach dem allseitigen verbalen Entsetzen eine lange Tanzszene das Faktum noch einmal verdeutlichen. Danach wird Großmutter nach Shibari-Art gefesselt und aufgehängt, aber nach fünf Minuten schon wieder abgelassen. Tot auch sie. Da packt Sohn Creo, der zuvor immerhin mit Großmutters Hilfe Revolution machen wollte, die Wut und er brüllt minutenlang „Vater, was hast du getan? I will kill you!“ Es hagelt Anspielungen von Pferdekopf bis Badewanne – erhellt wird dadurch allerdings kaum etwas. Der Abend erschöpft sich in Kunstprätention. Ärgerlich. 

Midas / Heimat | R: Kristóf Szabó | WA im Oktober 2023 | Orangerie Theater | 0221 952 27 08

Hans-Christoph Zimmermann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Chantal im Märchenland

Lesen Sie dazu auch:

Das Theater der Zukunft
„Loop“ am Orangerie Theater – Prolog 04/24

Musik als Familienkitt
„Haus/Doma/Familie“ am OT – Theater am Rhein 03/24

Falle der Manipulation
„Das politische Theater“ am OT – Theater am Rhein 02/24

„Wir wollten die Besucher:innen an einem Tisch versammeln“
Subbotnik zeigt „Haus / Doma / Familie“ am Orangerie Theater – Premiere 02/24

Radikaler Protest
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Theater am Rhein 01/24

Was ist hinter der Tür?
„Die Wellen der Nacht …“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/23

Trauma und Identität
„Mein Vater war König David“ in Köln – Theater am Rhein 10/23

Die extremste Form des Protests
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Prolog 10/23

Überleben im männlichen Territorium
Festival Urbäng! 2023 im Orangerie Theater – Prolog 09/23

„Mir war meine jüdische Identität nie besonders wichtig“
Lara Pietjou und Regisseur Daniel Schüßler über „Mein Vater war König David“ – Premiere 09/23

Offen für Genreüberschreitung
Open Mind Festival in der Orangerie – Musik 06/23

Identitäre Spiegelungen
„Der blinde Fleck“ in der Orangerie – Theater am Rhein 06/23

Theater am Rhein.

Hier erscheint die Aufforderung!