Die Idee ist eigentlich interessant: König Midas besitzt die Fähigkeit, alles, was er berührt, in Gold zu verwandeln. Regisseur und ChoreographKristóf Szabó macht aus dem royalen Alchimisten die Inkarnation eines kapitalistischen Messias. Sein Credo ist, dass er das menschliche Sinnvakuum mit der Wertstellung aller Güter versieht. Er predigt radikale Diesseitigkeit, Gegenwärtigkeit und Entkörperlichung (also: Digitalisierung).
Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die Natur, also Flora und Fauna. Sie haben ihre Fürsprecher in Midas‘ Ehefrau Hebe (Juliana Wagner), Großmutter Kybele (Julia Karl) und Sohn Creo (Jan Hofmann). Während der Sohn klassisch ödipal an Mutters und Großmutters Rockzipfel hängt, pflegt Midas (Maximilian von Mühlen) zwischen unendlich vielen weißen Pappkartons nur noch narzisstischen Umgang mit seinem Schatten (Caspar Pop). Das Setting hat man nach 15 Minuten verstanden, doch der künstlerisch aufgeblähte Abend entfaltet nicht nur Midas‘ Position in langen pseudophilosophisch-redundanten Schleifen; wenn der Alchimist seine Ehefrau schließlich vergoldet, muss nach dem allseitigen verbalen Entsetzen eine lange Tanzszene das Faktum noch einmal verdeutlichen. Danach wird Großmutter nach Shibari-Art gefesselt und aufgehängt, aber nach fünf Minuten schon wieder abgelassen. Tot auch sie. Da packt Sohn Creo, der zuvor immerhin mit Großmutters Hilfe Revolution machen wollte, die Wut und er brüllt minutenlang „Vater, was hast du getan? I will kill you!“ Es hagelt Anspielungen von Pferdekopf bis Badewanne – erhellt wird dadurch allerdings kaum etwas. Der Abend erschöpft sich in Kunstprätention. Ärgerlich.
Midas / Heimat | R: Kristóf Szabó | WA im Oktober 2023 | Orangerie Theater | 0221 952 27 08
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