Mäzene sind ein Segen. Sie schmücken mit ihrem Goldlametta den dürren Baum der Kommunalfinanzen. Insofern scheint die Düsseldorfer Spendenkampagne „Schauspielhaus 2020“ auf den ersten Blick ein Paradebeispiel bürgerschaftlichen Engagements zu sein. Bürger sollen sich an der Sanierung des Schauspielhauses finanziell beteiligen. Doch mit dem Aufruf trägt vor allem die Politik von Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) Früchte. Der hatte im vergangenen Jahr das denkmalgeschützte Schauspielhaus zur Disposition gestellt und einen Neubau an anderer Stelle ins Spiel gebracht. Weil der Schuss nach hinten losging, brachten die SPD und die Grünen später Bürgeranleihen ins Spiel, um so die Sanierung mitzufinanzieren. Dies war der Versuch einer klientelistischen Kulturpolitik nach dem Motto: Wem am Schauspielhaus etwas liegt, soll gefälligst Geld zur Sanierung beisteuern. Die neue Spendenkampagne ist die Fortsetzung dieser Politik mit anderen Mitteln und sie scheint offenbar zu verfangen.
Und diese hemdsärmelige Willkür und SPD-Hochkulturfeindschaft, die gern soziale gegen kulturelle Zwecke ausspielt, setzt sich im Spendenaufruf auf der Homepage des Schauspielhauses fort. Wörtlich heißt es da: „Im Zentrum der Maßnahmen, für die wir Sie um eine große oder kleine Spende bitten, stehen die Bereiche, die für das Publikum wichtig sind, ja die dem Publikum gehören. Die öffentlichen Bereiche!“ Muss man wirklich betonen, dass das Düsseldorfer Schauspielhaus durch Steuergelder der Bürger finanziert wird und ihnen somit das ganze Haus „gehört“ und nicht nur die Konsumbereiche. Dass dem Bürger vielleicht auch nicht nur die Foyers „wichtig“ sein könnten, sondern auch die Bühne und das, was darauf passiert.
Da das Schauspielhaus von Stadt und Land gemeinsam getragen wird, entfällt auf die Kommune sowieso nur die Neugestaltung von Dach und Fassade, die Innenausstattung übernimmt die Landesregierung. In Köln würde man sich angesichts explodierender Sanierungskosten über solche Peanuts freuen. Nicht in der Landeshauptstadt, hier sollen die Bürger noch ein zweites Mal ran. Die Versäumnisse bei der Instandhaltung des Gebäudes, die die Verwaltung zu verantworten hat, werden nun einer Privatinitiative überantwortet. Sollte das Düsseldorfer Beispiel Schule machen, könnten immer mehr Bereiche städtischer Kulturpolitik von mäzenatischem Gutdünken abhängig werden. Brauchen Stadtbibliotheken neue Computer? Sollen doch die Leser dafür sorgen! Für die Museen wären dann Kunstinteressierte zuständig, für Konzertsäle die Freunde der Musik. Und aus der freiwilligen Spende würde allmählich eine begründete Erwartung und schließlich ein fester Posten im Haushalt des Kämmerers. Die Stadt Düsseldorf wäre gut beraten, wenn sie die Grundaufgaben ihrer Kulturpolitik in Eigenregie erledigen würde und sich nicht immer stärker in die Abhängigkeit mäzenatischen Entgegenkommens begeben würde.
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