Montag, 18. Dezember: Julia Fuhr Mann hat mit „Life is Not a Competition, But I’m Winning“ ihren Abschlussfilm an der Universität für Fernsehen und Film München vorgelegt. Dieser hat in Cine Global direkt einen bundesweiten Verleih gefunden, so dass die Dokumentation um Gender-Restriktionen bei internationalen Sportwettkämpfen am 14. Dezember in ganz Deutschland in den Kinos angelaufen ist. Während ihrer Kinotour zum Bundesstart besuchte die Filmemacherin auch die Filmpalette in Köln, wo sie für das anschließende Q&A von ihrer Kostümbildnerin Angela Queins unterstützt wurde. Als lokaler Kooperationspartner lud der queere Kölner Sportverein S.C. Janus e.V. zur Veranstaltung ein. Mit Julia Monro war eine Janus-Sportlerin im Kino dabei, die sich auch gleichermaßen in der Welt der Medien auskennt, da sie bereits bei Produktionen wie Christoph Hochhäuslers Kinofilm „Bis ans Ende der Nacht“ als trans*-Beraterin oder bei der Amazon-Serie „Pension Transbacher“ als Produzentin beteiligt war. Gleich zu Beginn stellte Julia Fuhr Mann klar, dass sie die bedrückende Stimmung ihres Dokumentarfilms über die jahrzehntelange Marginalisierung von Frauen, BIPoC und queeren Menschen im Profisport entschärfen wollte, indem sie eine andere Ebene in Form einer Utopie in ihren Film eingebaut habe. Sie selbst würde keinen Leistungssport betreiben, sich mit ihren queeren Freunden aber gerne Sportsendungen ansehen, und hätte dabei irgendwann begonnen, die Vorkommnisse dort kritisch zu hinterfragen.
Teure Archivaufnahmen
Für die utopischen Momente in „Life is Not a Competition, But I’m Winning“ versammelte Fuhr Mann ein Kollektiv vor ihrer Kamera, das aus ihrer „queeren Bubble besteht, und die auch alle etwas mit Sport zu tun haben.“ Gemeinsam besuchte man Olympiastadien und Sportarenen, in denen man inszenierte Szenen filmte, mit denen die Sporthistorie auf positive Weise umgeschrieben wird. „Viele der Ideen zu diesen Filmclips sind gemeinsam mit der Gruppe entstanden“, erläuterte die Filmemacherin beim Filmgespräch. Das Einfügen von Archivmaterial stellte indes eine größere Herausforderung dar, denn etliche der teilweise über 90 Jahre alten Aufnahmen lagen noch nicht in digitalisierter Form vor. Außerdem ist die Verwendung dieses Materials überaus teuer. Für eine Minute Film mussten rund 10.000 Dollar an das Olympische Komitee gezahlt werden, selbst für Aufnahmen der Olympischen Spiele während der NS-Diktatur. „Da gab es auch keine Ermäßigungen aufgrund des Bildungsauftrags“, so Fuhr Mann weiter. Auf Nachfrage aus dem Publikum berichtete die Regisseurin, dass das grundlegende Konzept des Films von Anfang an festgestanden habe, dieses im Schnitt dann aber noch einmal etwas angepasst wurde. Erst in der Post-Produktion wurden die utopischen Elemente über den ganzen Film verteilt, um diese noch mehr mit dem Archivmaterial zu verzahnen. Kostümbildnerin Angela Queins kommentierte die Entscheidung, das Kollektiv in derangierten Anzügen auftreten zu lassen: „Ein Anzug ist etwas sehr Patriarchales, das sich weit durch die Geschichte zieht, und die ist hinsichtlich der Mode immer unheimlich binär gewesen. Ich wollte diese Anzüge zerstören und auseinanderschneiden, um damit ein Sinnbild für die Entehrung der SportlerInnen zu schaffen.“
Ideologien alter, weißer cis-Männer
Julia Monro vom S.C. Janus fand besonders schockierend, durch den Film zu erfahren, dass der Olympische Fackellauf eine Erfindung der Nationalsozialisten war und dennoch bis heute daran festgehalten wird. Ebenso verstörend fand sie den Umgang mit intersexuellen Menschen im Sport, wie er im Film beschrieben wird. Aktuell sei es so, dass Transfrauen bei Schwimmwettkämpfen nur dann offiziell zugelassen würden, sofern sie ihre Hormontherapie bis zum 12. Lebensjahr abgeschlossen hätten. „Das ist vollkommen unrealistisch und unterstreicht deswegen nur, dass Transmenschen dadurch aktiv aus den Sportwettkämpfen verdrängt werden sollen“, erläuterte Monro. Zurückzuführen sei dies auf die Kräfte, die in den entsprechenden Gremien an den längeren Hebeln sitzen – vornehmlich weiße, alte cis-Männer. Dass es bei diesen Regularien eher um Ideologien als um den Schutz der cis-Frauen gegenüber körperlich bevorteilten Transfrauen ginge, mache insbesondere die Tatsache deutlich, dass selbst der Welt-Schachverband entschieden habe, Transfrauen vom Frauen-Schach auszuschließen. Gottseidank habe sich der deutsche Schachverband dieser Vorgabe aber nicht angeschlossen, ergänzte Julia Monro. Durch die Koproduktion mit dem Fernsehsender 3sat soll „Life is Not a Competition, But I’m Winning“ zur Olympiade im Jahr 2024 seine Fernsehpremiere erleben – dann allerdings unter dem weniger sperrigen Titel „Queer gewinnt“.
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