Obwohl der Titel der Ausstellung „Momente, Menschen und Begegnungen“ lautet, trägt sie für Bertamaria Reetz persönlich die Überschrift „Kunst und Soziales“. Denn das Eintreten für soziale Themen ist der Kölner Künstlerin ein Herzensanliegen. So wird ein Teil der Erlöse für Obdachlose gespendet. In ihrer aktuellen Ausstellung in der Kulturkirche Ost in Köln-Buchforst sind großformatige Gemälde mit unterschiedlichen Sujets zu sehen. Bilder wie „Ikarus“ oder „Büchse der Pandora“ weisen auf die Beschäftigung mit griechischer Mythologie hin. „Der Zyklus bezieht sich auf die heutige Zeit. Das Thema ist immer der Mensch“, erklärt Bertamaria Reetz. Im Zentrum der symmetrisch zulaufenden Kirche hängt die „Medusa“, das schwarze schlangenumwobene Haupt dramatisch vor blutrotem Hintergrund. Andere Gemälde zeigen verborgene Gesichter hinter grau strukturierten Streifen. „Gesichter sind meine Hauptarbeit sowie das Thema ‚Werden und Vergehen‘. Mir ist wichtig, dass man das Gefühl des Haptischen bekommt. Ich versuche, eine Erdigkeit reinzubekommen“, erläutert Reetz. Das farbige Bild „Irak 1“, das zusammen mit „Irak 2“ 2003 entstand, thematisiert Kriegsgeschehen und -wirren.
Weiterhin sind in der Ausstellung Skulpturen von Reetz zu sehen. Vor der Kirche verharrt, ästhetisch beleuchtet, die bekannte Blauschafherde, die bereits in ganz Europa unterwegs war. „Die Blauschafe verkörpern den sozialen Aspekt, denn sie werden in den Kölner Behindertenwerkstätten gefertigt“, erklärt die Kunstexpertin Irene Daum bei ihrem Einführungsvortrag. „Sie präsentieren den ideologischen Aspekt des friedlichen Miteinanders, denn sie ergeben trotz unterschiedlicher Positionen ein harmonisches Ganzes. Schließlich ist Blau die Farbe der EU, UNO, UNESCO und Friedensbewegung.“ Auch die „Jecken Höhner von Kölle“ sind hier vertreten, die 2006 bis 09 mit 2.300 unterschiedlichen Figuren in Köln zu sehen waren, wobei die Spenden ebenfalls sozialen Zwecken zuflossen. „Mein Ziel ist, dass die weißen Figuren von Kindern in Kinderkrankenhäusern bemalt werden. Dadurch können sie sich wegbeamen“, schildert Reetz ihren nächsten Herzenswusch.
Musikalisch begleitet wurde die Eröffnung von Dorothée Hahne mit dem Alphorn und Live-Elektronik sowie dem Duo JanDi, die die Zuschauer mit teils verfremdeten, teils mitreißenden Klängen verzaubern. Die Ausstellung kam auf Einladung der GAG Immobilien AG zustande, die in der Kulturkirche Ost ein vielfältiges Kunstprogramm organisiert, um Begegnung und Dialog vor Ort zu ermöglichen. Für Reetz war die Auseinandersetzung mit Käthe Kollwitz prägend für ihre künstlerische Arbeit. „Ich war mit 32 Jahren schwer krank, die Ärzte gaben mir nur noch sieben Monate zu leben. In dieser Krisensituation habe ich meine Bilder für die Düsseldorfer Kunstakademie fertiggestellt – und wurde gesund“, erzählt sie. Eine Ausstellung im Sterbehaus von Käthe Kollwitz war für sie ebenfalls ein einschneidendes Erlebnis. Passend dazu liest am 22. März um 19.30 Uhr die Historikerin Yvonne Schymura zum Thema „Käthe Kollwitz: Die Liebe, der Krieg und die Kunst“, am 24..3. um 19 Uhr gibt es ein Konzert mit Meadowlark (Indie-Pop), Charlotte Carpenter (Singer/Songwriter) und Michael Baker (Singer/Songwriter).
„Staunend, wild und tastend habe ich vieles zur Seite geschoben, um das zu malen, was noch bleibt!“, so das Motto von Bertamaria Reetz. Man darf auf ihre weiteren Arbeiten gespannt sein.
„Momente, Menschen und Begegnungen“ | Kulturkirche Ost | bis 18.4., Di-Sa 17-20 Uhr und nach Vereinbarung: 0162 233 67 01 | Eintritt frei, Spende erbeten
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