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Foto: Irma Flesch

Kölsche Hütchenspiele

03. Dezember 2010

Weniger ist mehr - Theaterleben 12/10

In Köln hat man jüngst viel Unglaubliches gesehen: Man hat gesehen, wie ein wehrhaftes Beton-Stadtarchiv zum Krater mit Rettungsbauwerk wurde. Wie ein jahrelang erarbeiteter Kulturentwicklungsplan – um die frische Tinte nicht zu verschmieren – ad hoc in den Schubladen eifriger Haushaltssanierer verschwand. Wie das lange vor sich hindümpelnde Kölner Schauspiel unter Karin Beier zum gefeierten Schauspiel des Jahres 2010 mutierte. Wie in Köln-Mülheim großzügig Hallenflächen für ein Kölner Tanzhaus angemietet wurden und eine Interimsnutzung der leeren Hallen mit über 400.000 Euro ausgestattet wurde. Und: wie jüngst mit der Überschrift „Mehr Geld für Freie Kultur“ in der Kölner Tagespresse geworben wurde. Was ist davon nun wahr?

Wahr ist, dass die letzten Archivalien aus dem Krater des Kölner Stadtarchivs immer noch nicht geborgen sind. Der U-Bahn-Bau ruht in Unfrieden. Wahr ist, dass Ex-Oberbürgermeister Fritz Schramma jüngst gegen Einspielungen seiner katastrophalen Katastrophenstatements zum Stadtarchiv in der herausragenden Jelinek-Uraufführung „Der Sturz“ am Schauspiel Köln protestierte und damit immer noch nicht verstanden hat, dass es nicht um ihn persönlich oder ums einzelne Wort, sondern um Bewusstsein, Mentalität und Verantwortung geht. Wahr ist, dass mit den verabschiedeten 15 Prozent Kulturausgabenkürzungen 2010 ein zukunftsweisender Kulturentwicklungsplan, der zum ersten Mal städtische Institutionen und Freie Szene als gleichberechtigte Pole des Kölner Kulturlebens anerkannte, Hals über Kopf beerdigt wurde. Wahr ist, dass das Tanzhausprojekt in Mülheim gekippt wird, um einen Teil der Kürzungen in 2011 aufzufangen (Angesichts der Halbherzigkeit, mit der das Projekt betrieben wurde, eine richtige Entscheidung). Wahr ist, dass das Schauspiel Köln trotz aller Erfolge zukünftig Einbußen seiner Zuschüsse von 2,5 Prozent (rund 1,4 Millionen Euro) wird hinnehmen müssen. Wahr ist schließlich, dass Kölns Freie Kulturszene in 2010 parallel fast eine 20%-Kürzung hat wegstecken müssen, die in 2011 um 2/3 auf 600.000 statt 1,6 Millionen Euro abgemildert wird. Weniger ist dramatisch viel weniger, nicht mehr!

Angesichts der bereits vorher existierenden eklatanten Unterfinanzierung und der Rücknahme versprochener Erhöhungen bedeutet diese dauerhafte 10%-Kürzung für einige das sichere Aus. Wahr ist auch, dass die vor einem Jahr eingereichten und im Frühjahr 2010 votierten Konzeptionsförderungen für die Jahre 2011 bis 2014 zwei Monate vor Jahresende immer noch nicht verabschiedet sind. Das heißt: kein Freies Theater, keines der geförderten Ensembles oder internationalen Festivals weiß – um mal nur im Theaterbereich zu bleiben – ob und wie viel Geld ihm 2011 zur Verfügung steht. Professionelles Arbeiten und damit hohe künstlerische Qualität werden unter den beschriebenen Umständen, trotz des wackeren Einsatzes der Kulturpolitiker aller Parteien für die Belange der Freien Szene im Nahkampf mit ihren Parteigenossen, nahezu unmöglich gemacht. Die Aufdeckung des Hütchenspiels steht uns noch bevor ...


JÖRG FÜRST

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