Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
7 8 9 10 11 12 13
14 15 16 17 18 19 20

12.580 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

Grüne Fassade
Foto: pogonici / Adobe Stock

Kapitalismus-Greenwashing

26. August 2020

Der Markt hat‘s kaputt gemacht, der Markt soll’s richten – Teil 1: Leitartikel

 

Eigentlich bräuchten wir zwei Planeten „Erde“… Unser kapitalistisches Wirtschaften belastet die natürlichen Ressourcen in einem Ausmaß, dass die eine Erde, die wir haben, schon seit 1971 nicht mehr ausreicht. Der Verbrauch übersteigt die Regenerationskapazitäten des Planeten; schlimmer noch: Das Ausmaß der Übernutzung steigt weiter.

Welche Konsequenzen das haben kann, zeigt das Beispiel Brasilien: Immer mehr Regenwald geht (nicht erst seit der ultrarechte Jair Bolsonaro regiert) durch Abholzung und Brandrodung unwiederbringlich „verloren“, um Tropenholz und Anbauflächen zu „gewinnen“. Heute sind laut dem brasilianischen Klimaforscher Carlos Nobre bereits rund 17 Prozent von Amazonien gerodet. Experten gehen davon aus, dass bereits bei 20 bis 25 Prozent der „Point of no return“ erreicht sein könne. Das gesamte Ökosystem Amazonasregenwald würde kollabieren, die Region zur Savanne veröden.

Im Angesicht solch furchteinflößender Prognosen bleibt der Kapitalismus anpassungsfähig wie eh und je. Abkehr vom Wachstumsdogma hin zu einer Wachstumssuffizienz? Nix da! Der technische Fortschritt soll es richten. Die neuerdings „grün“ lackierte kapitalistische Profitmaschine hat begriffen, auch E-Autos und Windräder lassen Profite sprudeln. Darum wird auch der im Dezember 2019 verabschiedete „Green Deal“ (GD) der EU am Problem des übermäßigen Verbrauchs nichts ändern. „Grüne“ Profitmaximierung bleibt im Widerspruch zwischen ewigem Wirtschaftswachstum und fix begrenzten natürlichen Kapazitäten gefangen. Denn im grünen Kapitalismus soll immer noch der Markt retten, was er selbst zerstört hat.

EU konterkariert eigene Politik

Die wenigen positiven ökologischen Effekte des GD werden zudem vom Rest der EU-Politik konterkariert, wenn z. B. fossile Energieträger weiter öffentlich gefördert werden. Auch das EU-Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten heizt weiter die Umweltzerstörung an, weicht Umweltregeln auf und steigert den wahnwitzigen Transport von Gütern rund um die Welt. Zeitgleich wird eine Chance, die die Coronakrise (noch) bietet, schmählich vertan: Den öffentlichen Konsens über die Notwendigkeit enormer öffentlicher Investitionen dafür zu nutzten, weitreichende ökologische Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur vorzunehmen. Stattdessen werden neue Umweltstandards für den Agrarsektor verschoben, um die Landwirtschaft „nicht zusätzlich zu belasten“, und die Europäische Zentralbank kauft Unternehmensanleihen auf, um frisches Geld in den Markt zu pumpen. Damit wiederum werden neben der Autoindustrie zum großen Teil Konzerne unterstützt, die intensiv fossile Brennstoffe nutzen.

Es gibt nicht den Ansatz einer Klimapolitik aus einem Guss. Vielmehr wird der GD ein isoliertes Element mit überschaubarem Beitrag zur Schadstoffreduktion bleiben, das durch all die klimaschädlichen Aspekte der EU-Politik zigfach überstiegen wird. Das hat aber nur zum Teil Brüssel zu verantworten. Denn nur wenige ökologische Maßnahmen stoßen nicht auf Widerstand mächtiger Mitgliedstaaten. Deutschland blockiert eine Reform der Agrarpolitik, Frankreich verteidigt den Sonderstatus der Atomkraft. Ernsthafte Schritte des Klima- und Umweltschutzes, wie die im vergangenen Jahr verabschiedete Plastikrichtlinie, sind sensationell, aber eben auch äußerst selten. Im Kampf gegen die Klimakrise wird man so nicht viel erreichen. Aber auch das eigentliche Ziel der EU, sich im Zeitalter des „grünen“ Kapitalismus als ein Top-Player im globalen Konkurrenzkampf in Position zu bringen, wird so kläglich scheitern.


Mein Freund der Baum - Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema

Aktiv im Thema

www.koelnagenda.de | Der Verein begleitet seit den 90er Jahren die lokale Umsetzung ehrgeiziger Klima- und Umweltziele.
www.lanuv.nrw.de/klima/klimawandel-in-nrw/klimafolgen-in-nrw | Das Landesamt für Natur und Umwelt betreibt ein wissenschaftliches Klimafolgenmonitoring für NRW.
www.koelner-stiftung.de | Die Kölner Stiftung fördert jedes Jahr rund 10 bis 15 Projekte für Tier- und Artenschutz.

Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@choices.de.

Bernhard Krebs

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Der Buchspazierer

Lesen Sie dazu auch:

Wahl statt egal
Intro – Mein Freund der Baum

„Kreative Reduktion als Gestaltungsprinzip“
Ökonom Niko Paech über die Abkehr vom Wachstumsgedanken – Teil 1: Interview

Die Retter des Grüngürtels
Bürgerinitiative „Grüngürtel für alle“ gegen die Baupläne des 1. FC Köln – Teil 1: Lokale Initiativen

Bienenretten war gestern
Bayerns Artenvielfalt-Gesetz: innovativ oder schlüpfrig? – Teil 2: Leitartikel

„Die Zeit reicht für Anpassung nicht aus“
Umweltforscher über Klimawandel und Artensterben – Teil 2: Interview

Systemstörungen gegen das Artensterben
Extinction Rebellion gegen Klima-Kollaps und Wachstumswahnsinn – Teil 2: Lokale Initiativen

Wildnis im Kleinen
Mit Unordnung gegen das Artensterben – Teil 3: Leitartikel

„Mit offenen Augen durch den Wald gehen“
Forstwissenschaftler über Wälder und Klimawandel – Teil 3: Interview

Es muss Wahlkampfthema werden
„Osterholz Bleibt“ will Abholzung verhindern – Teil 3: Lokale Initiativen

Agrarpolitik für den Artenschutz
Profit plus Biodiversität? Innovationen in der Landwirtschaft kommen aus GB – Europa-Vorbild: Großbritannien

Von Bäumen und Bräuten
Der moralische Wankelmut der Menschen – Glosse

Mein Freund der Baum

Leitartikel

Hier erscheint die Aufforderung!