Drei Anlässe habe dieses Pressegespräch im Käthe Kollwitz Museum, hatte Rolf Tegtmeier für die Kreissparkasse Köln als Trägerin angekündigt – sie sind nicht voneinander zu trennen. Mit Hannelore Fischer ging Ende März die langjährige Museumsdirektorin in den Ruhestand. Dazu hat sie nun ihre letzte Ausstellung eingerichtet und zeitgleich ist ein umfangreiches Buch zu Käthe Kollwitz erschienen, das den Sammlungsbestand exemplarisch vorstellt. Abgebildet sind Hauptwerke der Plastik, Zeichnung, Druckgraphik und Plakatkunst – nur ein Ausschnitt aus den rund 900 Exponaten der Museumssammlung. Und deshalb, und weil die kluge und pfiffige Hannelore Fischer die produktive Überraschung liebt, zeigt die Ausstellung nun zwar ebenfalls das Werk der Kollwitz mit den gleichen biographischen Stationen, aber mit überwiegend anderen Blättern. Teils wurden diese noch gar nicht gezeigt, etwa weil sie mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben oder doch immer im Schatten anderer Werke standen. Denn Käthe Kollwitz (1867-1945) war eine großartige Künstlerin mit der Linie und im Aufbau von plastischem Volumen, eine Doppelbegabung als Bildhauerin und Zeichnerin, die mit wenigen Strichen höchste Intensität erreichte und ihr Talent nutzte, um auf Unrecht und die soziale Not der Menschen hinzuweisen, auf Hungersnot und Obdachlosigkeit. Berühmt ist ihr Radier-Zyklus „Bauernkrieg“ (1902-08), der den Naturalismus eines Gerhard Hauptmann in Bilder übersetzt.
Bewundernswert ist ihr Engagement für den Frieden, etwa indem sie Plakate gegen den Krieg leidenschaftlich expressiv gestaltet hat. Sie zeigt die alltägliche Not der Frauen mit ihren Kindern auf Zeichnungen und als Bronzeplastiken. Liebevoll ist die Wiedergabe der kleinen Kinder, darunter die eigenen, wofür die immer fleißige Kollwitz alle möglichen Papiere, also was gerade zur Hand war, verwendete und auf die Vorder- und die Rückseite zeichnete … Genau um diese Geschichten geht es nun in der jetzigen Schau im Museum am Neumarkt: die Hintergründe zu den einzelnen Werken, aber auch wie sie in das Museum kamen und welche fachlichen Fragen sie aufwerfen. Damit wird die Ausstellung nicht nur zur biographisch ausgerichteten Übersicht zum Gesamtwerk, sondern sie verdeutlicht noch die Museumsarbeit im Umgang mit einem einzigen monographischen Werk mit seinen besonderen Anforderungen.
Und natürlich wird auch jetzt anschaulich, was die Kunst von Käthe Kollwitz auszeichnet und wieso sie mehr denn je zu den großen Persönlichkeiten der Kunst in Deutschland im 20. Jahrhundert gehört und noch immer verehrt wird. Daran trägt Hannelore Fischer ein großes Verdienst. Jetzt müssten noch ein paar Zeilen zu ihr folgen, die ab 1990, als Nachfolgerin von Jutta Bohnke, der Enkelin von Käthe Kollwitz, dieses Museum geleitet und geformt hat. Die die Sammlung aufgebaut und zur bedeutendsten zur Kollwitz erweitert hat. Natürlich ist sie die profundeste (und damit gewiss gefragteste) Kennerin dieses Werkes – und das lässt hoffen, dass wir gewiss noch viel von ihr hören: auf Symposien, in Vorträgen und Führungen und, nun ganz speziell, als Forscherin zum zeichnerischen Werk von Käthe Kollwitz.
Kollwitz Kontext. Das Werk hinter den Meisterwerken | bis 19.6. | Käthe Kollwitz Museum | 0221 227 28 99
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