„Patria o muerte“ steht in spanischen, runenartigen Lettern unter der Brust eines schmalen Mannes geschrieben. Die Tätowierung auf dem blassen Leib des Menschen heißt übersetzt „Vaterland oder Tod“ und lässt eine unmissverständliche Gesinnung erkennen, die den Patriotismus gleich unter dem Herzen trägt. Eine weitere Person offenbart die „Siegrune“ der völkischen Bewegung auf dem Unterarm. Portraitiert hat die Szenen Jakob Ganslmeier, der mit seiner Ausstellung „Haut, Stein“ im NS-Dokumentationszentrum Köln gastiert. Neben weiteren abgelichteten Personen finden sich zudem öffentliche Plätze und Gebäude im Fokus des Fotografen, der 2017 mit der Arbeit an einem Projekt begann, dessen Protagonisten nicht etwa die nationalsozialistische Ideologie verherrlichen, sondern ihr abschwören und sich der Symboliken entledigen wollen. Bei allen Teilnehmern der Fotoserie handelt es sich um Aussteiger aus der rechten Szene. „Wichtig war mir, nicht in die alten Klischeebilder von Skinheads in Springerstiefeln zu verfallen. Die Leute sollen mit ihrer noch recht jungen Vergangenheit auch die Gegenwart des Rechtsextremismus aufzeigen“, erklärt Ganslmeier.
Für die Präsenz der menschenverachtenden Doktrin stehen auch die dreidimensional installierten großformatigen Stadtbilder inklusive deren Reflexionen durch Spiegel. Überreste von Reichsadlern, Fenstergitter in Form des archaischen Sonnenrades als Vorläufer des Hakenkreuzes oder andere Ornamente aus dem „Dritten Reich“ prägen weiterhin kaum wahrgenommen die Stadtgesellschaften. „Oftmals wurden die Symboliken im öffentlichen Raum erst durch die Zeit weggewaschen und nicht durch die Hand von Menschen. Das finde ich bedenklich“, so Jakob Ganslmeier, der für das Projekt an über 50 Orten in Deutschland fotografierte.
Die Ausstellung wurde von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora initiiert und zusammen mit dem Künstler in Kooperation mit Exit-Deutschland zum 76. Jahrestag der Befreiung der beiden KZs erarbeitet. Im Rahmen der Präsentation kommt es zu vier Führungen durch den Künstler, am 29. Oktober 2022 und 8. Januar 2023, jeweils um 15 Uhr in deutscher und um 16 Uhr in englischer Sprache.
Jakob Ganslmeier: Haut, Stein | bis 8.1.2023 | NS DOK | www.nsdok.de
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