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Gelassen ernst

27. Februar 2024

Intro – Unheimlich schön

Als „karnevaleske Ausstellungsstücke“ verspottete die US-amerikanische Rap-Gruppe Digital Underground im Jahr 1992 jene Musikstars, die durch Schönheitsoperationen ihren Status und damit ihr Einkommen steigerten. Im Song „No Nose Job“ (Keine Nasenkorrektur) hob der Rapper Shock G hervor, dass diese Promis ihrem Publikum die blödsinnigsten Schönheitsideale eintrichtern, sodass schon ein 6-jähriges Mädchen klagt: „Mama, ich mag meine Nase nicht!“ Das kam weder moralistisch noch wutschnaubend daher. Stattdessen schlakste Shock G in Gestalt seines überdrehten Alter Ego Humpty Hump durchs Songvideo, obligatorisch mit einer an Groucho Marx angelehnten Gesichtskostümierung, einschließlich Plastiknase, die Reime sonor näselnd – bis zur letztlich vergeblichen Flucht vor einer Operateurs-Meute, die ihm gegen seinen Willen eine neue Nase verpasste. Die als verantwortungslos vorgeführten Musikpromis stehen freilich für zahlreiche Einflüsse, die unsere Körperideale manipulieren. Dem gehtunser Monatsthema UNHEIMLICH SCHÖN nach.

Unsere Leitartikel fragen, was Menschen in Fitnessstudios treibt, warum sie sich freiwillig den Risiken chirurgischer Eingriffe aussetzen und wie wichtig Schönheit überhaupt ist.

In unseren Interviews diskutiert die Sportpsychologin Jana Strahler, wie gefährlich Sportsucht ist, die Psychoanalytikerin Ada Borkenhagen, was vor einer Schönheitsoperation abzuwägen ist und die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner, was an Schönheit politisch ist.

In unseren Lokalbeiträgen erfahren wir an der Deutschen Sporthochschule Köln, warum das psychische Wohl von Sportlern mehr Aufmerksamkeit verdient und beim Medienprojekt Wuppertal, wie sich Jugendliche in der Filmreihe „Body Positivity“ mit ihrem Aussehen auseinandersetzen. Wie erschütternd sich der Missbrauch von Macht und Körperidealen im Extrem auswirken kann, erfahren wirin Düsseldorf beim Vereinstop mutilation, der sich gegen die grausame Tradition der weiblichen Genitalbeschneidung einsetzt.

In Quentin Tarantinos Film „Jackie Brown“ (1997) räumt Max Cherry, gespielt von Robert Forster, gelassen ein, etwas gegen seinen beginnenden Haarausfall getan zu haben, auf den er „ein bisschen empfindlich reagiert“ habe. „Ich fühle mich besser“, fasst der Mittfünfziger zusammen, „seh‘ in den Spiegel, und das bin ich!“. Der Schauspieler Robert Forster verstarb im Jahr 2019 im Alter von 78 Jahren. Der Musiker Shock G, eigentlich Gregory Edward Jacobs, verstarb 2021 im Alter von 57 Jahren. Ihre Kunstfiguren erinnern daran, dass man über Fragen, zu denen noch jeder eine streitbare Meinung hat, auch ohne den sprichwörtlichen Schaum vorm Mund streiten kann – auch, dass Nachhilfe in Sachen Schönheit eine freie und reife Entscheidung sein kann. Die Spielräume, etwas gegen Manipulation und Machtmissbrauch von Körperidealen, gar gegen Menschenrechtsverletzungen zu tun, dürften davon nur profitieren.

Dino Kosjak/Chefredaktion

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