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Nicht jeder Filter ist so ehrlich
Foto: pressmaster / Adobe Stock

Ungefilterte Schönheit

27. Februar 2024

Regeln für Influencer – Europa-Vorbild: Frankreich

Glatte Haut und symmetrische Gesichter prägen die digitale Landschaft in Sozialen Medien wie Instagram und Tiktok. Mittels Gesichtserkennung können die Apps lustige Grimassen erzeugen und Prominente imitieren, aberauch Makel eliminieren und modische Accessoires oder Make-up einfügen. Schönheits-Filter verschleiern auf diese Weise sowohl Hautverunreinigungen als auch das Alter von Nutzer:innen. Die französische Regierung sieht in dem Phänomen deshalb mehr als nur einen Trend: Um destruktive psychologische Effekte zu dämmen, sollen die digitalen Filter als Teil eines Influencer-Gesetzes reguliert werden. Laut Bruno Le Maire, Frankreichs Minister für Wirtschaft und Finanzen, geht es nicht darum, Influencer zu bekämpfen oder zu stigmatisieren, sondern darum, sie gemeinsam mit Nutzern zu schützen, zum Beispiel vor dem Vergleich mit unerfüllbaren Idealen und einer daraus folgenden negativen Selbstwahrnehmung. Auch eine Zensur ist nicht vorgesehen – die geplante Regelung soll in erster Linie Transparenz schaffen. Falls Influencer auf ihren Accounts Bilder hochladen, die Filter verwenden, müssen die Bilder als bearbeitet gekennzeichnet werden. Es ist nicht die erste Regulierung der Bildbearbeitung: Schon 2017 war auf Initiative der damaligen Gesundheitsministerin Marisol Touraine ein Gesetz erlassen worden, das Unternehmen und Werbeagenturen dazu verpflichtete, kommerzielle Bilder als „photographie retouchée“ zu markieren, wenn sie digital bearbeitet wurden.

Gegen Makellosigkeit und Magersucht

Der Kampf gegen gefährliche Schönheitsideale ist in Frankreich kein neues Thema. Ebenfalls 2017 wurden in der Modelling-Branche Gesundheitsattests eingeführt, um die Präsenz von sehr dünnen Models in der Werbung und auf den Laufstegen zu verringern. Auch in den gegenwärtigen Fashion Weeks sind in erster Linie schlanke bis magere Models vertreten. Der Standard – so scheint es – ist und bleibt die Größe 30, die sogenannte „Size Zero“. Die durchschnittliche Passgröße ist hiervon weit entfernt: Für Frauen in Deutschland liegt sie laut Statistischem Bundesamt bei 42 bis 44. Die Kleidergröße 44 und größer, die als „Plus Size“ bezeichnet wird, war aufjüngsten Modeschauen international nur mit einem Bruchteil von 0,6 Prozent vertreten. Schädliche Schönheitsideale gehören also keineswegs der Vergangenheit an. 

Zu den Phänomenen der Branchezählt auch die Schönheitschirurgie. Durch Medienstars wie Kim Kardashian und Cardi B haben kosmetische Eingriffe an Popularität gewonnen. Die französische Regierung sieht hierin eine Gefährdung junger Menschen, die aus mangelndem Selbstbewusstsein folgenschwere Entscheidungen treffen könnten. Der neue Gesetzentwurf sieht deshalb auch ein Werbeverbot für Schönheitschirurgie vor. Das mag wenig überraschen: Frankreich präsentiert sich gerne als Förderer natürlicher Schönheit, sei es nach dem Motto „jolie laide“ (schön unschön) oder Modeerscheinungen wie dem „Pariser chic“, die mühelose Anmut widerspiegeln sollen.

Gegen Betrug, nicht gegen Selbstbestimmung

Unumstritten oder zahm ist der Gesetzentwurf keineswegs. Die von Wirtschaftsminister Le Maire vorgeschlagene Sanktionierung sieht eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren sowie eine Geldbuße in Höhe von 30.000 Euro vor. Auch sollen Beschuldigte von der entsprechenden Social Media Plattform verbannt werden – für Influencer kann dies das Karriereende bedeuten. Neben dieser strikten Regulation ist eine weitere Frage umstritten: Vermindert die Kennzeichnung bearbeiteter Bilder tatsächlich das Bedürfnis, dem jeweiligen Aussehen nachzueifern? Eine Studie der University of Warwick legt das Gegenteil nahe – durch die Hervorhebung bestimmter Inhalte als manipuliert würde der Nachahmungsdruck sogar noch gesteigert. Letztlich positioniert sich das Gesetz ohnehin nicht gegen Schönheitsideale und Selbstbestimmung, sondern gegen Betrügerei und Intransparenz.


UNHEIMLICH SCHÖN - Aktiv im Thema

aes.ch/sportsucht | Die Arbeitsgemeinschaft Ess-Störungen (AES) klärt über Sportsucht auf.
sporthilfe.de/socialmedia/studienergebnisse | Die Deutsche Sporthilfe befragte Leistungssportler, welche Rolle soziale Medien für ihren Sport spielen.
sportschau.de/mehr-sport/bodybuilding-social-media-100.html | Kritisches Video über den Einfluss von Bodybuilding-Influencern auf junge Menschen.

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Tim Weber

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