Überraschend kam die Entscheidung nicht: Das Kölner Schauspiel bekommt mit Regisseur Rafael Sanchez vorerst „nur“ einen Interims-Intendanten. Nachdem Stefan Bachmann im Dezember 2022 zum Intendanten des Wiener Burgtheaters mit Dienstbeginn zur Spielzeit 2024/25 berufen worden war, wurde die Zeit knapp. „Die Findungskommission stellte in den vergangenen Wochen in Gesprächen mit möglichen Kandidat*innen fest, dass ein nahtloser Übergang angesichts der kurzen Vorlaufzeit nicht realisierbar ist“, gab die Stadt nun bekannt. Die Lockmittel, wie etwa der bevorstehende Umzug ins sanierte Haus 2024, waren offenbar zu gering, um nach Köln zu kommen – was allerdings vorauszusehen war.
Die Wahl von Rafael Sanchez deutet darauf hin, dass er weder mit Stefan Bachmann nach Wien gehen wird noch als Nachfolger in Köln in Frage kommt. In einer Stellungnahme betont Sanchez, es sei trotzdem „eine große Freude, mit dem Ensemble und dem Team am Schauspiel Köln weiter arbeiten zu dürfen“. Außerdem freue er sich, „gemeinsam mit den Mitarbeitenden das Schauspiel am Offenbachplatz zur Spielzeit 2024/25 zu eröffnen“. Die Lösung mit Rafael Sanchez stammt allerdings weder von der Stadt noch von der Findungskommission. „Der Vorschlag kam von Stefan Bachmann und wir als Ensemble haben diese Idee freudig begrüßt und tatkräftig unterstützt“, sagt Ensemblemitglied Nikolaus Benda. Rafael Sanchez habe das Theater am Neumarkt in Zürich geleitet, bringe also Expertise als Intendant mit. Außerdem, so Benda, „kennt er das Haus sehr gut und das erleichtert den Umzug erheblich“.
Und doch haftet den Begleitumständen dieser Berufung ein Haut-goût an. Seit Dezember 2022 ist bekannt, dass Bachmann nach Wien wechselt. Intendanz und Ensemble haben dann offenbar schnell den Sanchez-Vorschlag der Stadt unterbreitet. Nichtsdestotrotz wurde einePersonalberatungsgesellschaft eingeschaltet, wurden Gespräche geführt. Die Findungskommission mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Kulturdezernent Stefan Charles, einem Mitglied der Personalvertretung sowie den Intendant:innen Ulrich Khuon (Deutsches Theater Berlin), Karin Beier (Hamburger Schauspielhaus) und Kathrin Mädler (Theater Oberhausen) tagte.All das wurde erstim März 2023 bekannt und im Mai fiel dann die Entscheidung für Rafael Sanchez – Köln ist einfach anders.
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