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„Zwei – eine Ritualschlacht“
Foto: Magda Willie

Im Archiv der Paarbeziehung

31. März 2016

Zum Frühling kommt die Liebe auf die Kölner Bühnen – Prolog 04/16

Ohrfeigen gehören auch zur Liebe. Natürlich nur, wenn sie paritätisch verteilt sind und zuvor ausverhandelt wurden. Ein Paar sitzt sich auf zwei Stühlen gegenüber und schlägt sich abwechselnd auf die Wange, dass es knallt. Immer wieder. Ist alles in Ritualen erstarrt? Die Konzepte der Liebe jedenfalls sind durchdekliniert und liegen im Archiv der Paarerfahrung zur Wiederbelebung bereit. Die Gruppe Turbo Pascal nehmen sich die Relation Works von Marina Abramovi und Ulay zum Vorbild, die zwischen 1976 und 1988 ihr Leben als Paar zum Thema ihrer Performances gemacht haben, und schauen, was noch geht. Liebe und Arbeit: Turbo Pascal lädt in der Orangerie zu „Zwei – eine Ritualschlacht“.

Das Paar in Duncan Macmillans „Atmen“ ist der Idealtyp der Fairtrade-Beziehung: Beide gut ausgebildet, lieben Arthouse-Filme, sind politisch interessiert, kaufen nur umweltbewusst. Vor allem aber wissen sie alles über Umwelt-Katastrophen und Klimawandel. Dass sie nun der Wunsch nach einem Kind ereilt, bringt die beiden in ein Dilemma. Jeder Mensch und selbst der kleineste belastet die Umwelt. Ist der egoistische Wunsch nach Nachwuchs also ökologisch zu rechtfertigen? Den Sohn kriegen sie dann doch, die Zweifel bleiben. Macmillan pflügt in seinem Stück zugleich durch die Geschichte des Paares, vom ersten Äußern des Kinderwunsches an der Kasse von IKEA bis zum Monolog der Frau am Grab ihres Mannes auf dem Friedhof. Im Theater im Bauturm lässt Regisseurin Catarina Fillers die beiden Ökos ins Messer ihres schlechten Gewissens laufen.

Dass Liebende in früheren Jahrhunderten, als die reflexive Cloud noch nicht über den Bürgerseelen schwebte, glücklicher gewesen wären, lässt sich auch nicht behaupten. Schönheit und Dummheit paarten sich schon damals, zum Beispiel in dem Adeligen Christian de Neuvillette, der in die ihm weit überlegene Roxane verliebt ist. Sie allerdings auch in ihn. Doch wie verfasst man Liebesgedichte, wenn die Hirnfrequenz nicht ausreicht? Man engagiert einen Ghostwriter. Cyrano de Bergerac übernimmt das schwierige Amt. Er ist einfühlsam, klug und belesen – und ebenfalls verliebt in die wunderschöne Roxane. Aufgrund seiner gewaltigen Nase fürchtet er allerdings die Zurückweisung der Angebeteten und stellt sich in den Dienst des Beaus. Und: Der Leihpoet bewahrt sein Geheimnis: selbst als Neuvillette fällt und Roxane sich ins Kloster zurückzieht. Erst nach vierzehn Jahren kommt die Wahrheit ans Licht, zu spät. Der historische Cyrano allerdings war mehr als ein unglücklich Liebender, eher ein extremer Freigeist, der in seinen Schriften die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse feierte, die Kirche mit scharfem Verstand kritisierte – und eben eine große Nase hatte. Simon Solberg nimmt sich den romantischen Klassiker „Cyrano de Bergerac“ von Edmond Rostand am Schauspiel Köln zur Brust.

„Zwei – eine Ritualschlacht“ | R: Turbo Pascal | Sa 7.5. 20 Uhr | Orangerie | 0221 952 27 08

„Atmen“ | R: Catharina Fillers | Sa 7.5.(P) 20 Uhr | Theater im Bauturm | 0221 52 42 42

„Cyrano de Bergerac“ | R: Simon Solberg | 15., 17.4. 18 Uhr, 28., 29.4. 19.30 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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