Ja, liebe Frau- und Herrschaften, was denn jetzt: Da denkt man, wer streamt, der kommt nicht mehr raus aus der Couchpantoffel. Und dann heißt es in der jüngsten FFA-Studie „Kinobesucher 2017“: Wer streamt, ist „außerordentlich oft im Kino“: Jeder zweite Streaming-Junkie ist ein Kinogänger. Und fast jeder vierte Kinobesucher ist ein Streamer. Das überrascht und beruhigt. Zum einen die Kinos. Zum anderen uns, die wir dachten, dass die Fernseh-Abonnenten nach und nach sozial verhärmten. Aber nein, ganz im Gegenteil, sie kommen anscheinend auch mal raus. Zumindest, um da draußen wieder irgendwo rein zu gehen. Aber solang es das Kino ist: weitermachen!
Zugleich zieht es vor allem die Jüngeren unter Ihnen zunehmend zur digitalen Download-Option, sprich: vor die heimelige Glotze. Dabei kann die jetzt mit der Leinwand noch weniger mithalten – eine neue Dimension zieht ein ins Lichtspielhaus: Virtual Reality. Und warum? „Weil wir das Kino weiter entwickeln wollen“, sagt Axel Steinkuhle von evrbit. Das Unternehmen, das mit 360-Grad-Brillen in der Vergangenheit bevorzugt Events und Produktpräsentationen durchführte, sieht den Zeitpunkt für gekommen, die Technik in den Unterhaltungssektor zu übertragen. Kooperationspartner sind die Lichtspiele Kalk, die sich seit Anfang Juni als das erste festinstallierte VR Sync-Kino Deutschlands präsentieren. Der Zuschauer zieht eine Brille auf und erlebt den gesamten Kinosaal als eine einzige Leinwand. 360 Grad rundum. Die Pionierarbeit ist inzwischen geleistet, die Technik wird permanent optimiert, das Potenzial ist gewaltig. Präsentiert werden Kurzfilme, durch die man sich frei bewegen kann, indem man den Kopf dreht, hebt und senkt. Spätestens mit dem Animationstrip „Conscious Existence“ ist die Idee den Kinderschuhen entwachsen: Man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es ist, als hätte man 3D noch eine Dimension hinzugefügt. Robert Rodriguez arbeitet bereits an dem Format für eine Miniserie.
Eine 360-Grad-Brille? Die kann ich mir doch auch zu Hause aufsetzen! Das stimmt, und daheim kann man sich – im Idealfall – auch freier bewegen als im Kinosessel. Abgesehen von den auditiven Vorzügen und von der Überlegung, die Bewegungsfreiheit im Kino auf lange Sicht flexibler zu gestalten, geht es Steinkuhle aber vor allem um den Kinosaal als gemeinschaftlichem Erlebnisraum. Und damit sind wir bei der bewährten Stärke des Kinos: Das Erleben miteinander, das nun auch die Reise durch den virtuellen Raum spürbar aufwertet. Geteiltes Staunen, kollektives Lachen – und vielleicht auch mal der Hinweis an den Nachbarn: „Ups, guck mal, da unten!“ Denn es gibt ja jetzt viel mehr zu entdecken, und das Phänomen, nach dem jeder Zuschauer einen Film anders sieht, wird hier noch einmal fundamental potenziert. Wir sind schon gespannt, wo und wie wir uns in zehn Jahren cineastisch bewegen. Sind gespannt, was die Filmschaffenden für kreative Möglichkeiten entdecken. Wohin die Reise führt. Sind gespannt auf die FFA-Studie 2028. Kino lebt!
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