Wo einst der viertgrößte Salzsee der Welt war, ist die Welt heute wüst, leer und giftig. Der Aralsee, einst ein fischreiches Gewässer, besteht aus drei kläglich kleinen Pfützen im Grenzgebiet von Kasachstan und Usbekistan. Dass es sich neben Tschernobyl um eine der größten vom Menschen verursachten Umweltkatastrophen handelt, ist wohl nur wenigen bekannt.
Mit „Der See“ in der Orangerie im Volksgarten erzählt Christina Vayhinger nun die unglaubliche Geschichte des Aralsees. Die Autorin und Regisseurin wählt hierzu einen interessanten Kniff: Sie lässt in Person von Sunga Weineck den See selbst erzählen. Abgerissen und verschlissen, schleppt er sich saft- und kraftlos über die Bühne, auf der eine ehemalige Schiffsplanke mit schwerer Eisenkette im Wüstensand liegt. Und in der Mitte ein zerbeulter Kanister, auf dem er häufig sitzt und gelegentlich einen Schluck Wasser nimmt.
In Fetzen fliegt die Geschichte des Aralsees an den Zuschauern vorbei. Lenin soll den Fischern gesagt haben, „mit ihren Fischen könne man den Weltkapitalismus besiegen“. Es folgte Stalins Agrarpolitik deren Auswirkungen ab den 1960er Jahren den See verschwinden und das freigewordene Land zu einer giftigen Wüste machte. Der Weltkapitalismus ist immer noch da und versucht nun in Gestalt der Weltbank mit Betonstaudämmen wenigsten den kasachischen Nordsee zu retten – mit fatalen Auswirkungen auf die zwei kleinen Seen im südlich gelegenen Usbekistan.
Leider scheitert die Regisseurin Vayhinger. Ein guter Text macht kein Theater. Es braucht deutlich mehr, als einen 85 lange Minuten getragen monologisierenden Schauspieler. Tempo- oder Tonwechsel, sind nicht auszumachen. Empörung über das, was die Menschen dem See angetan haben: Fehlanzeige. Wenn der See schon personifiziert wird, dann bitte richtig: Wäre ich ein See, dem der Mensch so übel mitgespielt hätte, ich würde wüten, schreien, anklagen, ich würde mich beweinen und bemitleiden, und ich würde alle, die aus einem einst stolzen, artenreichen und großen Ökosystem eine giftige Kloake gemacht haben, die Pest an den Hals wünschen.
„Der See“ | R: Christina Vayhinger | 12.-15.11. Do-Sa 20 Uhr, So 19 Uhr | Orangerie Theater im Volksgarten | 0221 952 27 08
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Kein radikaler Bruch, sondern ein Übergang“
Sarah Youssef über ihre Pläne für das Orangerie Theater – Premiere 02/23
Game Over
„The One next door“ in der Orangerie
Aktivismus statt Romantik
„Visibility, my Valentine” in der Orangerie
Messias des Kapitals
„Midas / Heimat“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/22
Kurort ohne Dinge
„These are a few of my favourite things“ in der Orangerie – Prolog 11/22
Reflexion oder Reaktion?
Urbäng! Festival mit Sonderausgabe zur Ukraine – Festival 10/22
Brot und Salz
subbotnik mit „Haus/Doma/Fest“ – Theater am Rhein 10/22
Kollektives Kuratieren
Festival Theaterszene Europa – Prolog 09/22
„Ich liebe antizyklische Prozesse!“
Andrea Bleikamp über die Freie Theaterzene – Interview 07/22
Maskulines Gebaren
„Late night who“ in der Orangerie – Theater am Rhein 07/22
„Humor funktioniert als Machtmittel“
Sophie und Thalia Killer über die Erhöhung des männlichen Late Night Hosts – Premiere 06/22
Warten, bis das Ende lächelt
„to those who wait“ am Orangerie Theater – Bühne 06/22
Hamsterrad des Lebens
„Helges Leben“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/23
Irgendwie dazwischen
„Exil“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/23
Lehren des Widerstands
Theater der Keller: „Mädchenschule“ – Theater am Rhein 01/23
Authentisches Theater
„Hypocrites“ in der Alten Feuerwache – Theater am Rhein 01/23
Macht und Magie
„Der Sturm“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 01/23
Karussell der Liebe
„Alles wird gut“ am TdK – Theater am Rhein 01/23
Feministisch-medial
„Reset – A night without men“ – Theater am Rhein 12/22
Kein Tribunal
„Putinprozess“ im Theater der Keller – Theater am Rhein 12/22
Waldblütenwehen der Seelen
„HNSL/GRTL“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 11/22
Einsam im Untergrund
„Annette ein Heldinnenepos“ am FWT – Theater am Rhein 11/22
Rabenschwarze Welt
„König Lear“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 11/22
Weltretter außer Dienst
„Heldenhaft“ am Casamax Theater – Theater am Rhein 10/22