So könnte es aussehen, das Theater- oder Kulturhaus, von dem Kölns Freie Szene schon seit Jahrzehnten träumt. Als Besucher mochte man sich bei der Eröffnung des internationalen Theaterfestivals Globalize:Cologne die Augen reiben. Vor dem ehemaligen Ufa-Filmpalast warteten Trauben von Menschen auf Einlass. Noch vor einer Woche sah das seit fast zwei Jahren aufgegebene Gebäude innen wie eine schmuddelige Rigips-Kiste aus. Nun haben die Theaterleute des Netzwerks der Freihandelszone ein schmuckes, dunkelrotes Entree gezaubert.
Im größten der 13 Kinosäle dann eine Theaterbühne, groß, breit und tief in der Konstruktion. Das Publikum kommt nah an die Bühne heran, man sitzt bequem und der Blick ist von allen Seiten im Raum sehr gut. Die Eröffnungs-Inszenierung der isländischen Performerin Erna Omarsdottir mit dem programmatischen Titel „Teach Us To Outgrow Our Madness“ eignete sich perfekt für dieses Ambiente. Fünf Frauen, jede mit langem Haar, gekleidet in raffiniert altmodische Sommerkleidchen, zeigen eine Performance irgendwo zwischen Hexentanz und Puppenballett. Weiblichkeit als Ansammlung stereotyper Handlungsmuster präsentieren die fünf mit dem Bewegungsrepertoire mechanischer Figuren. In die eckigen Bewegungen schießt jedoch immer wieder Emotion in Form von Geschrei und enthemmten Anfällen ein.
Stellenweise fand die Sprache Eingang in diesen Danse macabre, aber das waren die schwächeren Momente, in denen weibliche Rebellionsmuster bemüht wurden, die schon seit den siebziger Jahren existieren. Stark zeigt sich Erna Omarsdottir jedoch in ihrer Skizzierung der Hysterie. Spannung entwickelt sich aus dem verwirrenden Verhaltensmuster der Frauen. So verweisen die Isländerinnen entrüstet auf ihre Keuschheit, obwohl sie zuvor noch mit verführerischem Kalkül die Blicke auf sich gezogen haben. Wunderbar konsequent stellt Erna Omarsdottir dieses Symptom der Hysterie dar. Ihre Darstellerinnen spielen derweil, als seien sie in einen dauerhaften Schockzustand verfallen, oder als hätte jede von ihnen zwei Finger in einer Steckdose. Sehr witzig, sehr unheimlich und immer wieder überraschend in seinen Wechseln gibt sich das Spektakel, mit dem Globalize:Cologne gleich zu Beginn demonstriert, dass dieses Festival bis zum 17. Dezember europäisches Theater bietet, das anders ausschaut als alles, was wir zu kennen glauben.
Globalize:Cologne | 19.11. bis 17.12. | im ehem. Ufa-Filmpalast, Hohenzollernring 22-24, Köln | Karten: 0221 98 54 523 | www.freihandelszone.org
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Die Hölle Hollywoods
„Mulholland Drive“ im Filmpalast
Schlagabtausch am Abend
Premiere „Der Vorname“ beim Film Festival Cologne – Foyer 10/18
Verwaltung von Gerechtigkeit
„Aus dem Nichts“ im Filmpalast – Foyer 11/17
Wenn die Masse machtlos ist
Urbäng! eröffnet mit „Suddenly Everywhere Is Black With People“ – Bühne 10/17
Beeindruckende Nachwuchsstars
„Zazy“ im Filmpalast Köln – Foyer 03/17
Höhepunkte, Niedergänge und Nostalgie
Kölner Kinogeschichte mit alten Filmschmankerln – Kino 10/16
Würden Sie für 250€ Sex auf der Bühne haben?
P Project von Extremkünstler Ivo Demchiv in der alten Feuerwache – Theater 10/15
Ein Herz in der einen und einen Geldschein in der anderen Hand
Das Festival Globalize:Cologne öffnet neue Horizonte im Theater – Tanz in NRW 10/15
Gib ihm eins auf die Nase
Yui Kawaguchis Choreographie „Bubble Boxing“ im Rahmen von Globalize:Cologne – Tanz in NRW 11/11
Kulturelle Wiederbelebung
Das Week-End Festival im ehemaligen UFA-Filmpalast – Musik 11/11
„Die Freie Szene groß präsentieren“
Stefanie Thiersch und André Erlen vom Festival „Globalize Cologne“ – Premiere 11/11
Wunder des Anfangs
Das Théâtre En Flammes zeigt seine Produktion "La Première Fois" als neu erarbeitete Koproduktion beim Festival "Globalize Cologne" - Premiere 04/09
Für die Verständigung
Stück für Gehörlose am CT – Theater am Rhein 03/24
Im Höchsttempo
„Nora oder Ein Puppenhaus“ in Bonn – Theater am Rhein 03/24
Musik als Familienkitt
„Haus/Doma/Familie“ am OT – Theater am Rhein 03/24
Wo ist Ich?
„Fleischmaschine“ am FWT – Theater am Rhein 02/24
Falle der Manipulation
„Das politische Theater“ am OT – Theater am Rhein 02/24
Wiederholungsschleife
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/24
Radikaler Protest
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Theater am Rhein 01/24
Emotionale Abivalenz
„Sohn meines Vaters“ in Köln – Theater am Rhein 01/24
Übung in Demokratie
„Fulldemo.cracy“ am Studio Trafique – Theater am Rhein 01/24
Welt ohne Männer
„Bum Bum Bang“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 12/23
Was ist hinter der Tür?
„Die Wellen der Nacht …“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/23
Weiter mit der Show
„Von Käfern und Menschen“ am TiB – Theater am Rhein 11/23
Ende der Zivilisation
„Eigentum“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 11/23