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Erna Omarsdottir: „Teach us to outgrow our madness”
Foto: Roberto Flores Moncada

Finger in der Steckdose

21. November 2011

Isländische Hexen und Puppen zur Eröffnung von Globalize:Cologne – Theater am Rhein 11/11

So könnte es aussehen, das Theater- oder Kulturhaus, von dem Kölns Freie Szene schon seit Jahrzehnten träumt. Als Besucher mochte man sich bei der Eröffnung des internationalen Theaterfestivals Globalize:Cologne die Augen reiben. Vor dem ehemaligen Ufa-Filmpalast warteten Trauben von Menschen auf Einlass. Noch vor einer Woche sah das seit fast zwei Jahren aufgegebene Gebäude innen wie eine schmuddelige Rigips-Kiste aus. Nun haben die Theaterleute des Netzwerks der Freihandelszone ein schmuckes, dunkelrotes Entree gezaubert.

Im größten der 13 Kinosäle dann eine Theaterbühne, groß, breit und tief in der Konstruktion. Das Publikum kommt nah an die Bühne heran, man sitzt bequem und der Blick ist von allen Seiten im Raum sehr gut. Die Eröffnungs-Inszenierung der isländischen Performerin Erna Omarsdottir mit dem programmatischen Titel „Teach Us To Outgrow Our Madness“ eignete sich perfekt für dieses Ambiente. Fünf Frauen, jede mit langem Haar, gekleidet in raffiniert altmodische Sommerkleidchen, zeigen eine Performance irgendwo zwischen Hexentanz und Puppenballett. Weiblichkeit als Ansammlung stereotyper Handlungsmuster präsentieren die fünf mit dem Bewegungsrepertoire mechanischer Figuren. In die eckigen Bewegungen schießt jedoch immer wieder Emotion in Form von Geschrei und enthemmten Anfällen ein.

Stellenweise fand die Sprache Eingang in diesen Danse macabre, aber das waren die schwächeren Momente, in denen weibliche Rebellionsmuster bemüht wurden, die schon seit den siebziger Jahren existieren. Stark zeigt sich Erna Omarsdottir jedoch in ihrer Skizzierung der Hysterie. Spannung entwickelt sich aus dem verwirrenden Verhaltensmuster der Frauen. So verweisen die Isländerinnen entrüstet auf ihre Keuschheit, obwohl sie zuvor noch mit verführerischem Kalkül die Blicke auf sich gezogen haben. Wunderbar konsequent stellt Erna Omarsdottir dieses Symptom der Hysterie dar. Ihre Darstellerinnen spielen derweil, als seien sie in einen dauerhaften Schockzustand verfallen, oder als hätte jede von ihnen zwei Finger in einer Steckdose. Sehr witzig, sehr unheimlich und immer wieder überraschend in seinen Wechseln gibt sich das Spektakel, mit dem Globalize:Cologne gleich zu Beginn demonstriert, dass dieses Festival bis zum 17. Dezember europäisches Theater bietet, das anders ausschaut als alles, was wir zu kennen glauben.

Globalize:Cologne | 19.11. bis 17.12. | im ehem. Ufa-Filmpalast, Hohenzollernring 22-24, Köln | Karten: 0221 98 54 523 | www.freihandelszone.org

Thomas Linden

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