No Man's Land
Bosnien/Frankreich/Italien/Belgien 2001, Laufzeit: 98 Min., FSK 12
Regie: Danis Tanovic
Darsteller: Branko Djuric, René Bitorajac, Filip Sovagovic, Georges Siatidis, Katrin Cartlidge, Simon Callow, Serge-Henri Valcke
Gute Antikriegsfilme kann man in der Regel nicht durch extremen Realismus (unsäglicher König darin ist Vilsmaier mit seinen originalen Armeeunterhosen für Stalingrad) erreichen, sondern durch Abstraktion. Denn der Realismus lässt sich sowohl auf die Logik als auch die Ästhetik des Krieges ein, und bleibt somit darin gefangen. In der Abstraktion jedoch begibt man sich nicht auf diese Ebene, was dazu führt, dass die Kriegslogik ihre Absurdität preisgibt und die Ästhetik des Krieges ihre Lächerlichkeit. Ein historisches Paradebeispiel für diesen Ansatz ist Les Carabiniers¹ von Jean Luc Godard, für die Gegenwart hat der Bosnier Danis Tanovic mit "No Man¹s Land" ein weiteres Lehrstück geschaffen.Tanovic spielt regelrecht mit den Klischees der Kriegsdarstellung hauptsächlich dadurch, dass er sie nicht erfüllt. Die Eröffnungsszene von sich bei Dunkelheit und Nebel ruhig anpirschenden Soldaten beschwört diese klassische Ästhetik noch herauf (wenn auch hier schon gebrochen). Bei Morgengrauen wird dieses Szenarium aber bereits ad absurdum geführt: ein prächtiger Sommertag bricht an, die Vögel zwitschern und die Soldaten werden, weil sie sich im No Man¹s Land zwischen den Fronten verirrt haben, von den Feinden dahingemetzelt. Nur einer überlebt! Daraufhin wird von der Gegenseite ein unerfahrener Soldat losgeschickt, um nach Überlebenden zu suchen. So entsteht eine ausweglose Pattsituation. Es kommt zu Verhandlungen und den Einsatz von Blauhelmen. Die Presse erfährt von den Ereignissen, so dass aus dem kleinen Zwischenfall ein großes Spektakel wird. Tanovic wechselt zwischen den Ereignissen im Graben und den Verhandlungen zwischen den Militärs, den Blauhelmen und der Presse hin und her, spart aber an spannungserzeugenden Mitteln. Die Grundstimmung des Films ist nicht Action, sondern sie wird vom sommerlichen Tag und der schönen Natur vorgegeben, und wird durch das darin absurd wirkende Kriegsszenarium irritiert. Genau so irritierend ist das Kriegsszenarium an sich, dass zwischen netten Plaudereien, tödlicher Bedrohung und angespannter Langeweile hin und her wechselt. Tanovic entgeht dem Fehler, Krieg als Normalität darzustellen. Man fragt sich ständig, warum die Protagonisten sich nicht einfach mit einem Handschlag verabschieden, oder besser, einfach zusammen einen trinken gehen. Aber auch dieser Falle entgeht Tanovic: weder vermittelt er die naive Ansicht, Krieg sei etwas Böses zwischen zwei abstrakten Nationen, das es zwischen den einzelnen Menschen nicht gibt (die beiden hier wollen sich zwischendurch natürlich immer wieder die Köpfe einschlagen), noch tut er so, als könnte man sich in der Wirklichkeit der Logik des Kriegs entziehen. Das man das nicht kann, zeigt er dem Zuschauer am Ende deutlicher, als es einem lieb ist.
(Christian Meyer)
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