
Motel Destino
Brasilien, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Australien 2024, Laufzeit: 115 Min., FSK 16
Regie: Karim Aïnouz
Darsteller: Iago Xavier, Nataly Rocha, Fábio Assunção
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Tropical noir in einem Stundenhotel in Brasilien
Im Reich der Sinne
„Motel Destino“ von Karim Aïnouz
Ein verborgener Trakt liegt hinter den Zimmern des „Motel Destino“ an der nordbrasilianischen Küste. Der schmale Gang ist der Hauptschauplatz des Films, durch Luken lassen sich die Wünsche der Gäste erfüllen – wie im Krankenhaus blinkt eine Bedarfsleuchte auf –, aber es lässt sich auch kontrollieren, ob drinnen alles in Ordnung ist. Man kann auch klammheimlich dem triebhaften Geschehen in den Betten beiwohnen, wie es der in die Jahre gekommene Motelbetreiber Elias (Fábio Assunção) macht, als ungeladener Voyeur.
Während die meisten Gäste nur stundenweise ins Motel Destino kommen, taucht der junge Heraldo (Iago Xavier) nach einem missglückten Banküberfall hier unter. Den Tag über bleibt er hinter den heruntergelassenen Jalousien, hält Ausschau nach seinen Verfolgern. Bald assistiert er Dayana (Nataly Rocha), der Frau des Hotelbetreibers, beim Aufräumen der Zimmer. Die bewohnten Betten werden energisch beiseite gerissen, neue Laken gespannt, großzügig Desinfektionsmittel versprüht. Die Funktionalität der Handgriffe, so erzählt es uns der brasilianische Regisseur Karim Aïnouz, ist nur die Verlängerung der Triebabladung. Sie geschieht mechanisch, wie am Fließband – das Motel ist insgesamt die Antithese eines romantischen Liebesnests. Es ist Nicht-Ort und Durchgangsstation für rasch abgefertigte Gäste, die Platz machen für andere, die unter der tropischen Hitze ebenfalls ihre Triebe aufgeladen haben. Man könnte das an dieser Stelle noch expliziter benennen. Die drastische Wortwahl wäre durchaus passend für das neue Werk von Aïnouz. Über weite Strecken ist das Stöhnen der Gäste laut vernehmlich im Versorgungstrakt, in dem Heraldo und Dayana arbeiten, als pornographische Tonspur zu hören, der man sich kaum entziehen kann. Jedoch werden weder die sexuellen Handlungen noch die Gäste gezeigt – das Luststöhnen ist der unterschwellige Soundtrack einer zunehmend aufgeladenen Atmosphäre, eines angestauten Gefühls und einer unbezähmbaren Gefahr, die sich nicht nur durch die Verfolger von Heraldo auftürmt.
Aïnouz ist mit stillen und subtilen Filmen bekannt geworden, zuletzt war von ihm „Die Sehnsucht der Schwestern Gusmão“ zu sehen. Die Atmosphäre von dort nimmt er in seinen neuen Film mit, lässt wieder die begnadete Kamerafrau Hélène Louvart physisch-körnige Bilder machen (gedreht wurde auf 35mm-Filmmaterial), ihre Kamera kriecht regelrecht in die unter der Hotelarbeit schwitzenden Körper von Heraldo und Dayana hinein. Zusätzlich tauchen die Bilder das Motel in leuchtende Farben: Die Zimmer versinken geradezu in dem gelben, roten und blauen Licht, das die Wandfarben und Leuchtstoffröhren ausstrahlen. Nichts ist hier pseudo- oder sozialrealistisch, das Motel ist mit dem Neon, das Aïnouz für seinen Tropical noir gewählt hat, betörend und spektakulär eingefärbt.
„Motel Destino“ lässt sich wie ein Gemälde von Edward Hopper sehen: Der Zeitfluss ist angehalten, der Blick dringt bedächtig in das Innere eines auf vielen Ebenen explosiven Ortes ein. Wer sich auf den aufgeladenen Stillstand einlässt, wird mit allen Sinnen belohnt.
(Dunja Bialas)
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