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Karla

Karla
Deutschland 2025, Laufzeit: 104 Min., FSK 12
Regie: Christina Tournatzés
Darsteller: Elise Krieps, Rainer Bock, Imogen Kogge

Erschütterndes wie ermutigendes Drama

Mut und Menschlichkeit
„Karla“
von Christina Tournatzẽs

Karla rennt. Immer weiter, bis sie nur noch ein Punkt in der Ferne ist und schließlich das Bild verlässt. Einige Sekunden lang fängt die Kamera ohne jede Regung ihr Verschwinden ein, ohne ihr zu folgen. Es ist eines der ersten Bilder in Christina Tournatzẽs Spielfilmdebüt „Karla“ und zugleich eines der kraftvollsten. Direkt zu Beginn macht es unmissverständlich klar, dass Karla nicht mehr zurückkommen wird. Dass das, wovor sie wegrennt, so schlimm sein muss, dass sie nicht zurückschauen will.

Im nächsten Bild sehen wir Karla in einer Polizeistation in München. Sie hat Schwierigkeiten, Worte zu finden, genau zu sagen, warum sie da ist. Bis sie schließlich fordert, einen Richter zu sehen und ihn nach dem Paragraphen 176 im Strafgesetzbuch fragt – dem Paragraphen, in dem es um sexuellen Missbrauch von Kindern geht. Spätestens da wird deutlich: Karla weiß, wovon sie spricht, auch wenn sie um Worte ringt.

Eines von acht Kindern weltweit wird laut UNICEF vor seinem 18. Lebensjahr sexuell missbraucht – 70 bis 85 Prozent davon kennen den Täter. Trotz dieser schockierenden Zahlen ist sexueller Missbrauch in der Familie ein absolutes Tabuthema. Christina Tournatzẽs will das mit „Karla“ ändern: Der Film spielt im Jahr 1962 und basiert auf einer wahren Geschichte. Karla wurde jahrelang von ihrem Vater sexuell missbraucht. Bis sie ihn mit zwölf Jahren vor Gericht anzeigt – alleine.

Trotz des schweren Inhalts erzählt Tournatzẽs eine Geschichte, in der am Ende nicht Schmerz und Trauma gewinnen, sondern Mut und Menschlichkeit. Ihre Karla (herausragend gespielt von Elise Krieps) glaubt trotz ihrer traumatischen Erfahrungen an sich selbst und hat den Mut, ihre Würde einzufordern in einer Welt, die es damit nicht so genau nimmt. Eine der wichtigsten künstlerischen Entscheidungen von Tournatzẽs ist, dass „Karla“ nie explizite Missbrauchsszenen zeigt. Stattdessen erleben die Zuschauer:innen Karlas Erinnerungen an den Missbrauch durch isolierte Bilder, die nur einen ganz bestimmten Ausschnitt ihrer Erinnerungen zeigen: einen Fleck im Stoff, das Glänzen von Licht im Wasser, das Surren von Fliegen. Dadurch wird Karlas Würde geschützt.

Denn das ist es, worum es Karla letztlich geht, warum sie vor Gericht will: Glaubwürdigkeit – und Würde. Es ist ihr großes Glück, dass sie an Richter Lamy (Rainer Bock) gerät, der ihr Glauben schenkt und ihren Fall tatsächlich vor Gericht bringt. Eines der schönsten Symbole des Films ist dabei, wenn Richter Lamy Karla eine Stimmgabel schenkt, als stilles Zeichen der Übereinkunft, dass es in Ordnung ist, wenn sie gewisse Dinge nicht aussprechen kann. Dass er ihrer Stimme trotzdem Glauben schenkt. „Karla“ ist nicht nur ein herausragendes Debüt, sondern eine Ode an die Menschlichkeit und den Mut, der eigenen Stimme Gehör zu verschaffen.

(Marina Wudy)

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