Durchfahrtsland
Deutschland 2005, Laufzeit: 90 Min.
Regie: Alexandra Sell
Vorgebirge, Du bist Deutschland
juggernaut (162), 03.11.2005
Auch wenn es ein bisschen gemein klingen mag: Was im ?Durchfahrtsland? streckenweise an Realsatire geboten wird, liegt jenseits der Reichweite von Kabarett und Comedy. Dazu noch ein trocken-ironisch gesprochener Off-Kommentar von Regisseurin/Autorin Alexandra Sell, und fertig ist ein Dokument über Deutsch-Land und eine Rocky Horror Vorgebirgs-Show, die sich gewaschen hat. Köln vs. Düsseldorf? Berlin contra München? Lächerlich! Viel spannender sind die Konflikte entlang der ?Staatsgrenze? (O-Ton Vorgebirge) zwischen Bornheim-Hemmerich und Bornheim-Rösberg und die heroischen Versuche des ersten jemals für beide Sprengel gleichzeitig ernannten Pfarrers, die jahrhundertealte Dorffeindschaft zu befrieden. Und das ist längst nicht alles: Da gibt es noch eine Frau, die Vorgebirgs-Krimis mit Titeln wie ?Der Hackebeil-Mörder? schreibt und aussieht und spricht wie Ulla Schmidt (Gesundheit!), einen uniformbegeisterten Halbitaliener, dessen Trachten zwischen Spielmannszug, Bundeswehr und Schützenverein wechseln, und den künstlerisch veranlagten Youngster des sanges- und trinkfreudigen Walberberger Junggesellenvereins, der Modedesigner in Paris oder Mailand werden will.
Sie habe immer darauf geachtet, die Würde ihrer Protagonisten zu wahren, hat Alexandra Sell in Interviews gesagt. Nun ja, letztlich ist manches dennoch haarscharf an der Grenze zur Vorführung. Hochmut und Herablassung gegenüber den Durchfahrtsländlern wäre gleichwohl fehl am Platze. Für die Offenheit und Konsequenz, mit der sich die hier Porträtierten samt Vereins- oder Gemeinde-Anhänge(r)n haben zeigen lassen, gebührt ihnen Anerkennung. Denn: Jeder Jeck ist anders, und Provinz ist (fast) überall.
P.S. Abgesehen von Wayne Wangs ?Smoke? habe ich in einem Film noch nie so viele rauchende Menschen gesehen.
Unfassbar
Colonia (683), 21.09.2005
Vorauszuschicken ist: Ich muss jetzt nicht jedes Kleine Fernsehspiel auf Leinwand und im Kino sehen. Aber das hier hat mich sehr interessiert - trotz naturgemäßer schlechter Bildqualität. Denn die in "Durchfahrtsland" vorkommenden Orte - man kennt die Namen mehr oder weniger. Vom Durchfahren halt.
Ich glaube nicht alles, was der trockene Filmkommentar mir weis machen möchte, aber doch vieles. Und ich bin froh, dass das alles trotz räumlicher Nähe weit weg von mir ist. Fanfarenzüge, Junggesellen, Vereinsmeierei, Dorffehden, Maikönigin, ... Schön, wenn Menschen so genau wissen, wo sie hingehören (in ihr überschaubares Dorf), aber bei mir und auch sonst im Kino machte sich blankes Entsetzen breit, obwohl Deutschland bestimmt an ganz vielen Orten so aussieht.
Wie auch im Film bemerkt: Warum das Vorgebirge zwischen Köln und Bonn nun "Vorgebirge" heißt ... keiner weiß es, denn das Gebirge dahinter fehlt vollständig.
Amüsant und unfassbar zugleich. Realität für die einen, Horrorvision für die anderen. Sehenswert trotz schlechter Bildqualität.
Unbekannte Orte
Loretta (43), 21.09.2005
Als erstes hab ich ja mal in den Autoatlas geschaut. Tatsächlich, es gibt sie, die Ort, an denen der Film spielt, von denen ich vorher noch nie gehört hatte: Rösberg und Hemmerich. Gut, von den größeren Orten wie Sechtem und Bornheim hat man natürlich schon gehört, aber so kleine Dörfer .... ich bin zwar rechts-rheinisch aufgewachsen, aber teilweise auch recht dörflich bzw. klein-städtisches, da kam mir schon einiges bekannt vor. Z.B. ?Wir sind ja alle im Verein? ? je mehr Vereinsmitgliedschaften, desto besser. Was soll man sonst auf dem Land auch machen, in der Freizeit? Da ist ja nichts. Der Film handelt zwar von ganz banalen Dingen, ist aber dennoch sehr unterhaltsam. Gut, als Neu-Städter schaut man ein wenig von oben herab auf die ?armen? Land-Eier, im Inneren natürlich heilfroh diesem Elend entronnen zu sein. Manchmal denkt man ja schon so bei sich: nee, das kann es nicht wirklich geben, aber doch, es ist Realität, quasi eine Dokumentarfilm. Ein schöner Heimatfilm ? Ansehen!
Mit Trauer umgehen
„Poison – Eine Liebesgeschichte“ im Odeon – Foyer 02/25
Gute Zeiten
Wie lang darf ein Film sein? – Vorspann 02/25
Bittersüße Dystopie
„Ein schöner Ort“ in der Aula der KHM – Foyer 01/25
Zeit-Fragen
Symposium der dokumentarfilminitiative im Filmhaus – Foyer 01/25
Pfau – Bin ich echt?
Start: 20.2.2025
Heldin
Start: 27.2.2025
Like A Complete Unknown
Start: 27.2.2025
Bolero
Start: 6.3.2025
Das kostbarste aller Güter
Start: 6.3.2025
Flow
Start: 6.3.2025
Mickey 17
Start: 6.3.2025
Köln 75
Start: 13.3.2025
Das Licht
Start: 20.3.2025
The Last Showgirl
Start: 20.3.2025
The End
Start: 27.3.2025
Quiet Life
Start: 24.4.2025
Volveréis – Ein fast klassischer Liebesfilm
Start: 1.5.2025
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24