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Die fetten Jahre sind vorbei

Die fetten Jahre sind vorbei
Deutschland/Österreich 2004, Laufzeit: 129 Min., FSK 12
Regie: Hans Weingartner
Darsteller: Daniel Brühl, Julia Jentsch, Stipe Erceg, Burghart Klaußner

Hans Weingartners vielbeachteter und zahlreich ausgezeichneter Spielfilm "Das weiße Rauschen" mit Daniel Brühl in der Hauptrolle des schizophrenen Lukas war ein großer Überraschungserfolg. Danach musste man fürchten - vor allem, da es sich um ein Erstlingswerk handelte - dass die Erwartungen und Ansprüche die Produktion des zweiten Films ersticken könnten. Als Weingartner dann im Frühling seinen Film "Die fetten Jahre sind vorbei" in Cannes als ersten deutschsprachigen Beitrag seit 11 Jahren zeigen konnte, spülten bereits die ersten Reaktionen aus aller Welt die Zweifel beiseite. Ein Befreiungsschlag! Um Befreiungsschläge geht es auch im Film selbst: Jan und Peter gefallen sich in der Rolle als symbolisch handelnde Spaß-Guerilla, die sich "Die Erziehungsberechtigten" nennt, ganz gut. Sie sind was Besseres als die, die nur rumdiskutieren. Mit ihren nächtlichen Aktionen wollen sie für Verunsicherung sorgen, den Reichen nicht ihre Reichtümer, sondern etwas viel Bedeutenderes rauben: das Gefühl der Sicherheit. Doch Jan hat größere Ideen im Kopf. Während Peter bei den nächtlichen Streifzügen auch gerne mal ein kleines Schmuckstück einstecken würde, träumt Jan davon, statt nur die Möbel in fremden Häusern die sozialen Verhältnisse zu verrücken. Zusammen mit Jule, in die er sich in Peters Abwesenheit verliebt, betrachtet er die Welt als Matrix und kommt zum selben Schluss wie Tom Cruise: "Du siehst sie und kannst nicht in ihr leben". Tatsächlich bleibt aber alles beim Alten, und es ist nur ein Missgeschick, keine geplante Aktion, die alle drei dazu bringt, den nächsten Schritt, von der hauptsächlich symbolischen Handlung innerhalb der Gesellschaft zum irreversiblen Austritt aus dieser Gesellschaft zu vollziehen. Weingartner inszeniert den ersten Teil seines Films betont aktionsgeladen und führt den Zuschauer in eine Atmosphäre jugendlichen Stürmens und Drängens ? einem Leben zwischen Liebe, Politik, Pop und Utopie, in dem es aber natürlich auch Alltagsprobleme zu bewältigen gibt. Und plötzlich ein ganz Großes: was machen mit dem Besitzer der Villa, dem Besitzenden, der sie bei einem ihrer "Brüche" überrascht? Hardenberg wird panisch ins Auto verladen und kurzer Hand verschleppt Den zweiten Teil des Filmes siedelt Weingartner kontrastreich in einer Almhütte in den Alpen an. Wo der erste Teil Kraft und Naivität gleichermaßen ausstrahlt, folgen nun Momente des Innehaltens und Nachdenkens. Es entspannt sich eine regelrechte Diskussionskultur zwischen dem Entführungsopfer, dem reichen "Bonzen", und seinen drei Bewachern. Die Bälle werden einander zugeworfen: "Wir leben in einer Demokratie!" "Nein, wir leben in einer Diktatur des Kapitals!" (das weiß übrigens Weingartner selbst sehr genau und lässt den Kinostart von der Veröffentlichung einer Doppel-CD und des 'Romans zum Film' begleiten). Hardenberg lenkt ein, damals, als er jung gewesen sei, ähnlich gedacht zu haben. Hardenberg wird menschlich. Hardenberg kifft mit seinen Entführern. Und Hardenberg mischt sich freundschaftlich in das Liebesleid der drei ein. Denn hier auf der Alm wird nicht nur theoretisiert, wird nicht nur das einst objektive Feindbild zum Menschen in nächster Nähe, hier zeigt sich auch, dass die politisch Bewegten selber Subjekte sind, die nicht aus einer sicheren, objektiven Perspektive heraus handeln können und zu allem Überfluss auch noch persönliche Probleme untereinander aushandeln müssen. Die Illusionen des klaren Feindbildes und des klaren Zieles geraten zunehmend ins Wanken. Weingartner ist mutig genug, die Plausibilität der revolutionären Kraft, die man im ersten Teil erfährt, scharf zu hinterfragen. Aber nur um sie danach mit einem Befreiungsschlag noch vehementer behaupten, ja feiern zu können. Dabei kann er sich auf großartige Schauspieler verlassen: während Burghart Klaussner als Hardenberg aalglatt zwischen Manager und verständnisvoller Vaterfigur wandelt, transportieren Daniel Brühl, Stipe Erceg und Julia Jentsch (demnächst mit ebenfalls großartiger Darbietung in Hans W. Geissendörfers "Schneeland" im Kino zu sehen) diese unvergleichliche Mischung aus Selbstbewusstsein, Verunsicherung und wütendem Trotz der Jugend.

(Christian Meyer)

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