Der schlimmste Mensch der Welt
Norwegen 2021, Laufzeit: 128 Min., FSK 12
Regie: Joachim Trier
Darsteller: Renate Reinsve , Anders Danielsen Lie , Herbert Nordrum
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Intimer Liebesfilm und Generationsporträt
Ja, aber auch nein
„Der schlimmste Mensch der Welt“ von Joachim Trier
Wir spoilern heute gleich im ersten Satz: So wie „Der beste Film aller Zeiten“, der in diesem Monat ebenfalls in die Kinos kommt, nicht ganz der beste Film aller Zeiten ist, so wenig ist die Protagonistin aus Joachim Triers neuem Film „Der schlimmste Mensch der Welt“ der schlimmste Mensch der Welt. Ganz im Gegenteil: Sie ist sehr sympathisch und macht überhaupt keine schlimmen Dinge, dafür aber sehr viele. Juli ist Ende 20 und beginnt ein Medizinstudium. Doch bald merkt sie, dass das nicht das Richtige für sie ist. Also jobbt sie in einer Buchhandlung, denn die Literatur und das Schreiben gefallen ihr sehr. Zugleich lernt sie den Mittvierziger Aksel kennen. Der macht erfolgreich Comics und weiß ziemlich genau, was er will. Dazu gehört auch, dass er mit Julie eine Familie gründen möchte. Julie ist allerdings noch nicht so weit, das für sich entscheiden zu können. Die unterschiedlichen Lebensentwürfe führen immer häufiger zu Streitereien, bis Julie Eivind kennenlernt. Ihm fühlt sie sich direkt verbunden, aber eigentlich bräuchte sie mal Zeit für sich. Zum Beispiel um sich der Fotografie zu widmen, der sie sich neuerdings verschrieben hat.
Trier hat seit seinem Debüt „Auf Anfang“ im Jahr 2006 (nominiert für den sogenannten Auslands-Oscar) fünf Kinofilme realisiert. Nach einem Ausflug zu der internationalen Produktion „Louder than Bombs“ (2015) schwenkte er mit „Thelma“ ins fantastische Gerne mit leichten Horrorelementen. Im Nachhinein ist das wenig verwunderlich, hat er doch all seine Filme zusammen mit Eskil Vogt geschrieben, der gerade selber mit seinem subtilen Kinder-Horror „The Innocents“ einen Film in den Kinos hatte. Ihr neuestes Drehbuch ist der letzte Teil der sogenannten Oslo-Trilogie, die nach „Auf Anfang“ 2011 mit „Oslo, 31 August“ um einen jungen Drogensüchtigen kurz vor dem Ende seiner Therapie, fortgeführt wurde. Darin wird Anders einen Tag lang beobachtet, wie er durch Norwegens Hauptstadt streift, alte Bekannte trifft und überlegt, wie es für ihn weitergehen soll. „Der schlimmste Mensch der Welt“ erscheint wie eine Variation davon: Nicht einen Tag, sondern ein paar Jahre begleiten wir Julie, wie sie auf die unterschiedlichsten Menschen trifft und überlegt, wie es in ihrem Leben weitergehen könnte. In einem klassischen Liebesfilm hätte sie mit Aksel (Anders Danielsen Lie) nach einigen Umwegen ihre große Liebe gefunden und im Schreiben ihre Passion. Doch Julie ist plötzlich in allem verunsichert, will mit dem Schreiben aufhören und sich von Aksel trennen. „Aber Du liebst mich doch“, sagt er vollkommen überrumpelt. „Ja, ich liebe dich, aber ich liebe dich auch nicht“, sagt Julie und tut, was sie glaubt, tun zu müssen.
Trier begleitet seine Protagonistin mit größter Sympathie auf ihrem Schlingerkurs. Meist einem nüchternen Realismus folgend, bricht der Film dabei immer wieder ästhetisch aus: mit einer Animationsszene, einem surrealen Drogentrip oder einem poetischen Spaziergang durch ein in der Zeit eingefrorenes Oslo. Triers Geschichte zeigt Julie stellvertretend für (die Frauen) eine(r) Generation, die bei allen Freiheiten und Wahlmöglichkeiten mitunter an den eigenen, aber auch den gesellschaftlichen Ansprüchen zu scheitern droht. Renate Reinsve, die ebenfalls „Oslo, 31. August“ einen Auftritt hatte und kurz davor war, die Schauspielerei aufzugeben, brilliert als Julie in jeder Szene und hat damit nicht nur Barack Obama zum Fan, der den Film in seine Jahresbestenliste aufnahm, sondern auch Kolleginnen wie Dakota Johnson oder Jamie Lee Curtis.
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