Bringing Out the Dead - Nächte der Erinnerung
USA 1999, Laufzeit: 120 Min.
Regie: Martin Scorsese
Darsteller: Nicolas Cage, Patricia Arquette, John Goodman, Ving Rhames, Tom Sizemore, Marc Anthony, Mary Beth Hurt, Cliff Curtis, Nestor Serrano, Aida Turturro, Cynthia Roman, Afemo Omilami, Cullen Oliver Johnson, Arthur Nascarella
Ambulance Driver
yoerk (103), 26.09.2004
Der Film spielt in den frühen 90ern in einem New York, in dem Bürgermeister Rudi Giuliani die Broken Windows Theory und das Zero Tolerance Konzept noch nicht zur Maxime der Exekutive erhoben hat. Junkies, Penner, Straßenstrich - ein einziges Elend, durch das Frank und seine Sanitäter-Kollegen nächtens kurven und der Klientel harren. Die angespannte Langeweile wird mit Isopropanol und jener mit O-Saft gestreckt. Ein Job auf Abruf. Und der erfolgt natürlich immer zu spät, wenn die Kinderhure die Überdosis bereits intus hat, der Dealer schon auf dem Balkongitter aufgespießt ist oder die Reanimation nur noch eine Körperhülle am Funktionieren hält.
Ein Job also auch, in dem die privat organisierte Dienstleistung an der Gesundheit ihre eigene Ökonomie geltend macht. Leben retten bringt manchmal, den Tod verzögern auf jeden Fall, Geld. Franks Leid entstammt der Bodenlosigkeit und dem Fatalismus seiner Arbeit, sein Streben gilt einem sinnvollen Maßstab. Am Ende wird er den Tod akzeptiert haben. Und die Liebe.
Diesen bitteren Kern hat Scorcese in ein unbekümmertes Kaleidoskop expressionistischer Lichtorgien, schwelgerischer Musikeinfälle und überzogener Heroin-Chic-Allegorik aufgespalten. Ein verschlepptes 'Red, red wine' während Frank im Selbstversuch harte Drogen erprobt und in tiefroten Teppichen versinkt, ein hingerotztes 'I'm so bored with the USA' während er am Steuer brüllend vor Wahnsinn durch die Rotlichtviertel brettert, nur um dem ewig gleichen Penner ('The King of Stink, the Duke of Drunk') das Erbrochene aus der Luftröhre zu saugen. Dazwischen immer wieder Franks persönlicher Dämon, ein Mädchen, das er nicht retten konnte, das er nicht in der Routine des Jobs vergessen kann. Franks Geister verfolgen ihn. Sein Job ist seine Obsession, sein verzweifelter Versuch der Erlösung von dem Bösen um ihn herum. Doch es muss erst ein Engel in Form eines Ex-Junkies kommen, damit Frank seinen Frieden findet.
'Bringing out the Dead' ist ein großartiger Film, der mit Scorseses NY-Klassikern 'Mean Streets' und 'Taxi Driver' auf jeden Fall mithalten kann. Einer der besten Filme der letzten Jahre.
"Die beste Droge der Welt" ...
Colonia (683), 26.09.2004
... ist für Sanitäter Frank die Rettung eines Menschenlebens. Aber diese Droge gibt's nur selten. Frank kurvt mit wechselnden Kollegen in seinem Rettungswagen durch das nächtliche New York, das in diesem Film ausschließlich hässliche Seiten bietet. Er fühlt sich als Zeuge des Elends, als Putzlappen für Schmerz und Leid. Frank kann ein Trauma nicht verarbeiten und während die Kollegen dem Elend mit Zynismus oder Aggression begegnen, steht Frank in dieser gespenstischen Welt ohne Hoffnung kurz vor dem Wahnsinn.
Ein sehr dunkler und nachdenklicher Film, der gar nicht besser bebildert sein könnte. Die kaputte und fast surrealte Welt in den Straßen findet ihre Entsprechung in immer düstereren Gedanken in Franks Kopf. Und auf einen winzigen Hoffnungsschimmer lässt uns Scorsese bis zum Ende warten.
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