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Am Ende kommen Touristen

Am Ende kommen Touristen
Deutschland 2007, Laufzeit: 85 Min.
Regie: Robert Thalheim
Darsteller: Alexander Fehling, Ryszard Ronczewski, Barbara Wysocka, Piotr Rogucki, Rainer Sellien, Lena Stolze, Lutz Blochberger, Willy Rachow, Roman Gancarczyk, Adam Nawojczyk, Halina Kwiatkowska, Joachim Lätsch

Das hatte sich Sven (Alexander Fehling) anders vorgestellt: Anstatt ins ersehnte Amsterdam verschlägt sein Zivildienst den Berliner in die Jugendbegegnungsstätte ins polnische Oswiecim - Auschwitz. Sprache, Einwohner und der Schatten der Vergangenheit wirken befremdend auf den jungen Mann, der den Zivildienst eigentlich nur dankbar zur Überbrückung seiner Orientierungslosigkeit verplempern wollte. Jetzt assistiert er in der Pädagogischen Abteilung der Begegnungsstätte und betreut den sturen Kauz Stanislaw Krzeminski (Ryszard Ronczewski), ein ehemaliger Gefangener des Konzentrationslagers. Der erzählt den Besuchern von seiner Zeit in Auschwitz. Der Erhalt des Mahnmals wurde ihm zur Lebensaufgabe, auch wenn er sich gelegentlich in Verbitterung verliert: "Zeigen Sie denen Schindlers Liste. Das macht mehr Eindruck." Sven findet derweil bei der Dolmetscherin Anja (Barbara Wysocka) Unterschlupf, in die er sich, zum Missfallen ihres Bruders, verliebt. Schließlich verliert Sven den Touristen-Status und lebt in der 40.000-Seelen-Stadt Auschwitz. Blinder Dialog mit den bekannten Bildern 2002 wandelte Marceline Loridan-Ivens mit ihrem Film "Birkenau und Rosenfeld" in der Vergangenheit des Konzentrationslagers. Um zu vergessen, kehrt darin der ehemalige Häftling Myriam an den Ort ihrer unauslöschbaren Erinnerung zurück und trifft dabei auf einen jungen Deutschen. Robert Thalheim ("Netto") schickt mit "Am Ende kommen Touristen" einen jungen Deutschen an den denkwürdigen Ort, der dort auf Erinnerungen, aber vor allem auf die Einwohner des anliegenden Städtchens trifft. Beide Filme verzichten auf Rückblicke. Thalheim sah die Herausforderung darin, in "Dialog mit den Bildern" zu treten, "die viele Zuschauer im Kopf haben, ohne sie einfach zu verdoppeln." Der Blick zurück gelingt hier vielmehr durch die Menschen der Gegenwart. Und die sind mal auf ewig mit der Vergangenheit verbunden, mal begegnen sie Sven mit Zynismus, mal sind sie schlicht irritiert, wenn der Zivi sie in naiver Neugierde fragt: "Wie ist das, hier zu leben?" Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Rebellion und Liebeskummer - das Vertraute, so muss Sven feststellen, ist ihm hier befremdlich. "Das ist hier ein sensibler Ort." Doch macht der Schatten, der über dem Ort liegt, Auschwitz nicht zur Geisterstadt. Das ganz normale Leben Frei von pädagogischem Streben schöpft Thalheim aus den eigenen Erinnerungen an seine Zivildienstzeit in Auschwitz und entwickelt in angenehm schlichten Bildern berührende Begegnungen, die sich der Seele dieses Ortes und dem "ganz normalen Leben" mannigfaltig nähern. Die Begegnungen finden nicht in der Begegnungsstätte statt, sondern in der Disco, auf dem Rockkonzert, in der Chemiefabrik, am See. Eine ungewohnte Perspektive, die, befreit von Zeigefinger und Klischees, eine Herangehensweise fernab von Schulbuch oder Vergangenheitsbewältigungs-Tourismus eröffnet. Ein Film nicht nur für Schulklassen. Er "erwartet dort ein Lager - doch er lernt eine Stadt kennen. Er erwartet Historie und begegnet lebendiger Gegenwart", sagt Alexander Fehling über seine Figur Sven, die der Theaterschauspieler als Film-Newcomer souverän trägt. Die anfängliche Schüchternheit des Tabak rauchenden Zivildienstleistenden trägt Fehling ebenso überzeugend wie dessen Verwirrung innerhalb des vermeintlich delikaten Umfelds, das sich dagegen sträubt, seine Erwartungen zu spiegeln. Fern aller Künstlichkeit stellt Sven die Fragen, die auch das Publikum bewegen, die aber nicht immer eine Antwort finden - so leicht macht es Thalheim dem Zuschauer nicht. Und dabei ist sein sensibel gestrickter und dabei sehr emotionaler Film beileibe kein Kopfkino.

(Hartmut Ernst)

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