Was wir wissen: Der Besitz von Waffen und Waffenscheinen ist in Deutschland zuletzt stark gestiegen. Was wir außerdem wissen: Trotz Pandemie haben die weltweiten Rüstungsverkäufe stetig zugenommen. Da scheint eine Farce wie Philipp Löhles „Feuerschlange“, das Tim Mrosek mit sieben Diplomstudenten der Theaterakademie auf die Bühne bringt, den Nerv der Zeit zu treffen. Es führt in grotesken Szenen vor, wie die Firma Lecker&Loch, vulgo Heckler&Koch, mit allen schmutzigen Tricks Waffen in Krisengebiete und autoritäre Staaten exportiert. Sieben Performer in rot-weißen Trainingsanzügen formieren sich als Schulklasse und der waffenvernarrte Vater einer Schülerin erklärt seinen Beruf als MG-Checker; es wird viel mit Kalaschnikovs herumgefuchtelt; die Verhandlungen von Lecker&Loch über Waffenexporte mit dem „Land der Schnurrbärte“ und den deutschen Ministerien sind reine Persiflage. Der Enthusiasmus und die satirische Verve ist überbordend, man merkt der Inszenierung allerdings an, dass sie vor allem die Fähigkeiten ihrer Performer vorführen will. Für ein Stück über den Waffenhandel ist die Dramaturgie des Abends zu revuehaft; für eine Revue fehlt dem Abend die musikalische Wucht und verfügt über zu viele inhaltliche Ritardandi. Allzu konkrete Fragen, wie die nach einer Antwort auf Wladimir Putins waffenstarrende imperialistische Drohung sollte man an den Abend auch nicht stellen. Der Anlass der Diplominszenierung bestimmt den Abend und das ist gut so. Denn dabei lassen sich junge Darsteller entdecken, die man in Zukunft gerne öfter auf der Bühne sehen möchte.
Feuerschlange | R: Tim Mrosek | keine weiteren Termine | Orangerie Köln | 0221 952 27 08
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