Wer einmal eine Choreografie von ihr gesehen hatte, vergaß die Bilder nicht mehr. So hat sich die Kunst der Pina Bausch in viele Leben eingeschrieben. Zehn Jahre nach ihrem Tod stellt sich die Frage, wie mit diesem Verlust umgegangen wurde und wird. Auch Wuppertal, ihre Stadt, hat sie mit ihren Arbeiten verändert. „Touched“ heißt der Film von Marc Wagenbach und Jukka Rajala-Granstubb, der sich mit der Resonanz beschäftigt, die sich in Erinnerungen, Verletzungen und Identitätsverschiebungen ablesen lassen. Gezeigt wird er im Programm von Tanzrauschen, dem Festival des Tanzfilms, das die enorme Breite auffächert, die diese Kunst in unseren Tagen bietet.
Nach London und San Francisco ist nun das in Wien beheimatete Internationale Music + Media Centre mit seinem Tanzfilmwettbewerb Dance Screen samt internationaler Jury in Wuppertal zu Gast. In der Zeit vom 21. bis 24. November sind 67 Filme zu sehen, darunter auch komplette Choreografien wie „Kreatur“ von Sasha Waltz oder Akram Khans „Giselle“. Nur, wie bekommt man diese Schätze der Tanzkunst in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit? An dieser Frage haben sich schon während der neunziger Jahre die Tanzfilmnächte in Köln versucht und letztlich aufgegeben. In Wuppertal gibt es in diesem Jahr den Screen Dance Market, auf dem sich Produzenten mit Veranstaltern und vor allem Redakteuren der Fernsehanstalten und mit Künstlern treffen, um neue Plattformen für die Präsentation von Tanzfilmen zu finden. Der Dialog zwischen Choreographinnen und den Repräsentanten der Musik- und Modebranche ist nur folgerichtig, wenn man den Tanzfilm für die digitalen Medien attraktiv machen will.
Filme wie „Closed“ von Jo Strømgren, in dem eine Frau in einem Café eine erotische Beziehung mit zwei Männern eingeht, scheinen wie gemacht für ein großes Publikum. Ist es hier subtile Sinnlichkeit, beeindruckt ein Film wie „Fram“ mit einer Expedition nach Spitzbergen. Dokumentarfilm verschmilzt mit Spielfilm und Tanz in menschenleerer Natur. Es ist eine Augenweide, zu erleben, wie mit Kamera, Schnitt und der Eroberung von Alltagsräumen der Tanz aus der Kunst-Enklave geholt wird und uns dort begegnet, wo wir alle täglich Erfahrung mit Bewegung machen. Die Dimension von Körper und Bewegung, mit der wir kommunizieren, wird nur unzureichend wahrgenommen. Im Film zeigt sich erst so recht, was alles an Potenzial im Tanz als Erkenntnisinstrument enthalten ist.
Deshalb wird in diesem Jahr von der Jury zusätzlich auch ein „Social Movers Award“ vergeben, der dem Tanz von körperlich beeinträchtigten Menschen, Schülern und Amateuren besondere Beachtung schenkt. Zu den Highlights des Festivals zählt die Choreografie „Morphed“ des Finnen Tero Saarinen, die zur Musik seines Landsmanns Esa-Pekka Salonen entstand und in Paris schon Triumphe feierte. Festivalzentrum wird in diesem Jahr das Rex-Filmtheater sein.
Tanzrauschen | 21. - 24.11. | Rex Wuppertal | tanzrauschen.de
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