Dienstag, 19. März: Regisseur Talal Derki war bei der Kölner Premiere seines neuen Films „Of Fathers and Sons – Die Kinder des Kalifats“ entgegen der Ankündigung nicht persönlich anwesend. Man kann es dem mutigen Filmemacher allerdings auch nicht verübeln, denn schließlich hat er sich für die Dokumentation unter Annahme einer falschen Identität in die Höhle der Löwen vorgewagt – und einige Monate in einer salafistischen Familie in Syrien zugebracht, in der ein Vater seine acht heranwachsenden Söhne zu neuen Dschihad-Kämpfern erzieht. Nach der Uraufführung des Films, der in diesem Jahr sogar für einen Oscar nominiert war, ist der Boden für den in Berlin lebenden syrischen Flüchtling ziemlich heiß geworden. Nichtsdestotrotz fand nach der Vorführung im Odeon-Kino eine angeregte Diskussion statt, in der der deutsche Produzent des Films, Hans Robert Eisenhauer, einige Einblicke in die schwierigen Dreharbeiten gewährte. Des Weiteren waren auf dem Podium der Konfliktforscher Mitra Moussa Nabo vom „Deutschen Forum Kriminalprävention“, die Bürgerrechtlerin Mina Ahadi vom „Zentralrat der Ex-Muslime“ sowie der Pressesprecher von Unicef Deutschland, Rudi Tarneden, vertreten. Sie alle diskutierten im Anschluss an die Vorführung mit dem Publikum über das im Film Gezeigte, über Möglichkeiten einer differenzierten Wahrnehmung des Islams und über die Ursachen der Gewaltzunahme im nahen und mittleren Osten.
Hans Robert Eisenhauer erläuterte zunächst, dass der ehemalige Kriegsreporter Talal Derki seit 2014 an dem Film gearbeitet habe. Mit seinem vorangegangenen Film „The Return to Homs“, mit dem er in Sundance den Großen Jurypreis gewinnen konnte, hatte sich Derki in seinem Heimatland Syrien auch unter den Salafisten Vertrauen aufgebaut, das er sich nun für „Of Fathers and Sons“ zunutze machen konnte. Eisenhauer kommentierte: „Derki wollte einen Film über die Zukunft seines Landes machen und aufzeigen, was mit den Kindern und Jugendlichen passiert, wenn das Land in die Hand der Dschihadisten fällt.“ Da im Norden Syriens bereits seit 2011 gekämpft wird, haben etliche der Kinder ein Leben ohne Gewalt und Gefahren bislang noch gar nicht kennengelernt. Derkis Film zeigt am Beispiel der Familie Abu Osamas eindringlich, wie die Heranwachsenden durch die Indoktrinierungen ihres radikalen Vaters von Gewalt geradezu fasziniert sind und ohne nachzudenken seine fanatisch-religiösen Parolen nachplappern. Rudi Tarneden erläuterte, dass man nicht wirklich wisse, was in den Köpfen von Kindern vor sich gehe, die in Kriegsgebieten aufwachsen. „Viele von ihnen nehmen die Welt, wie sie ist, ohne sie zu hinterfragen. Sie passen sich der jeweiligen Situation an und wünschen sich, im Sinne ihrer Eltern alles richtig zu machen“, so der Unicef-Pressesprecher. Umso wichtiger sei es, diesen Kindern und Jugendlichen wieder den Zugang zur Schule zu ermöglichen, wo ihnen Wege in eine alternative Zukunft aufgezeigt werden könnten.
Für den Konfliktforscher Mitra Moussa Nabo sind alle Kriege im nahen und mittleren Osten „transnationale Kriege, in die auch immer die Supermächte verwickelt sind, beispielsweise durch Waffenlieferungen. Auch sie haben dazu beigetragen, dass die Situation eskaliert ist.“ Nabo hielt auf dem Podium den Mehrwert des Films für ein westliches Publikum fest, das mit „Of Fathers and Sons“ neue, bislang unbekannte Einblicke in eine ansonsten hermetisch abgeschottete Welt erhalte. Andererseits vertrat der Mitarbeiter des Deutschen Forums Kriminalprävention wie einige Zuschauer im Kölner Kino die Ansicht, dass Talal Derkis Blick doch zu einseitig sei und sich lediglich auf eine einzelne, radikale Familie beschränke. „Der Islam ist vielfältig, aber auch Dschihadisten sind vielfältig. Es ist kaum möglich, sich auf einfache Weise mit dem Thema auseinanderzusetzen“, so Mitra Moussa Nabo weiter. Die Iranerin Mina Ahadi brachte die Problematik gegen Ende der Podiumsdiskussion recht anschaulich auf den Punkt: „Der Islam ist eine Religion wie alle anderen und gehört deswegen der Vergangenheit an. Kämpfer des Islamischen Staats haben diese Religion für sich politisiert. Es ist doch viel wichtiger, dass wir Frauen- und Kinderrechte bewahren und bürgerrechtliche Prinzipien verteidigen – dann sind wir schon auf dem richtigen Weg.“ Derkis Film ist ab Donnerstag, 21. März, regulär in den Kinos zu sehen.
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