Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
5 6 7 8 9 10 11
12 13 14 15 16 17 18

12.603 Beiträge zu
3.827 Filmen im Forum

„Wut“
Foto: Thilo Beu

Die wütende Elfriede

30. Mai 2018

„Wut“ im Theater Bonn – Theater am Rhein 06/18

Die „Zornbanken“ der Gegenwart, wie Peter Sloterdijk das einmal genannt hat, sind randvoll: terroristischer Islamismus, identitärer Nationalismus, Elitenbashing, Wohnungsnot. Die sozialen Medien fungieren dabei als neue Sammelstellen und Transformationsriemen des Zorns. Es brodelt in der Küche der Affekte und niemand kann diese thymotische Melange besser darstellen als Elfriede Jelinek. Auch wenn Zorn und Wut nicht das gleiche meinen, ihr Stück „Wut“ dreht ausgehend vom Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo alle möglichen Affektentladungen der vergangenen Jahre durch die kalauernde Mangel.

Im Bonn greift die Inszenierung von Sascha Hawemann tief ins französische Fach: Filmszenen aus Jacques Tatis „Die Ferien des Monsieur Hulot“, französische Chansons, fünf bühnenbeherrschende Versalien FUREUR (frz. Wut) und das Massaker an protestierenden Algeriern 1961. Es bleibt zunächst allerdings im Dunkeln, worauf die Interpretation zusteuert. Touristische Badefreuden wechseln mit Terroristen im einem Golf, einer Islamistin in Burka und theaterreflexiven Sottisen. Zum roten Faden wird verblüffenderweise die Autorin selbst. Der graue Pelzmantel und eine Perücke mit der typisch aufschwingenden Haartolle wandert zwischen den fünf Figuren hin und her. Keine Szene ohne Jelinek, ihre Allgegenwart nimmt göttliche Züge an. Szenen ihrer Biografie mit dem abwesenden Vater, der beherrschenden Mutter, die Nobelpreisverleihung, Eifersuchtsattacken, Familienszenen mit einer eisleckenden Elfi begründen die Jelineksche Wut zu einem nicht unerheblichen Teil aus dem Biografischen.

Privat und öffentlich mögen zusammenfallen, persönliche Wut auch immer gesellschaftlich sein, es bleibt trotzdem dahingestellt, inwieweit eine solche Interpretation tragfähig ist. Selbst während des kalauernden Göttertreffens mit dem abwesenden „Mo“ (Mohammed) dreht die Autorin ihre Kreise. Und als am Ende ein Mann seinen hiobschen Zorn in den Himmel schreit, regnet es als göttliche Besänftigung Pelzmäntel für alle: Die Autorin hatte die Besucher begrüßt, fünf Jelineks sorgen schließlich für den Kehraus.

„Wut“ | R: Sascha Hawemann | 2., 9., 13., 21.6. 19.30 Uhr | Theater Bonn | 0228 77 80 08

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Grüße vom Mars

Lesen Sie dazu auch:

Stück in der Schwebe
„Die blaue Sau“ am Theater Bonn

Gemeinsam einsam sein
„Komödie der Einsamkeit“ in Bonn

Opulent und introvertiert
„Vespertine“ am Theater Bonn

Spiegelbild der Wutbürger
„Kohlhaas (Can‘t Get No Satisfaction)“ am Schauspiel Bad Godesberg – Auftritt 03/25

Ein Flasche Romantik, bitte!
„Der Liebestrank“ am Theater Bonn

Endsieg für Ödipus
Elfriede Jelineks „Am Königsweg / Endsieg“ in Bonn – Prolog 01/25

Ausweg im Schlaf
„Der Nabel der Welt“ in Köln – Theater am Rhein 01/25

Im Land der Täter
„Fremd“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 12/24

Kampf gegen Windmühlen
„Don Quijote“ am Theater Bonn – Prolog 11/24

Den Schmerz besiegen
„Treibgut des Erinnerns“ in Bonn – Theater am Rhein 07/24

„Wir können nicht immer nur schweigen!“
Jens Groß inszeniert Heinrich Bölls Roman „Frauen vor Flusslandschaft“ am Theater Bonn – Premiere 06/24

Geschlossene Gesellschaft
„Flight“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 01/24

Theater am Rhein.

HINWEIS