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Lisa Busche in der artothek
Foto: Viktoria Lohner

„Die Idee existiert weiter“

28. Januar 2020

Lisa Busche über „Tolerante“ in der artothek – Interview 02/20

Die artothek – Raum für junge Kunst bietet zum einen die Möglichkeit, zeitgenössische Kunst auszuleihen, zum anderen finden in den Räumlichkeiten Ausstellungen nationaler wie internationaler Künstler statt. Die derzeitige Ausstellung der Künstlerin Lisa Busche verdeutlicht, welch eine große Rolle der Ausstellungsraum selbst hinsichtlich der Kunst einnehmen kann.

choices: Lisa, wie kam es zu dem Titel der Ausstellung?

Lisa Busche: Mein Weg ins Atelier führt über die Zoobrücke, über den Rhein. Das genieße ich immer sehr, weil ich da schon in eine konzentrierte Stimmung komme, wenn der Autoverkehr rauscht, unter mir der Fluss und Schiffe unter mir durchfahren. Wenn ich Zeit habe, dann schaue ich ab und zu, wie diese Schiffe heißen. An einem Morgen entdeckte ich ein Schiff mit dem Namen „Tolerante“. Das habe ich mir aufgeschrieben, wie noch andere Namen von Schiffen, die ich interessant fand. Diese Namen verwende ich dann teilweise für Titel oder wie jetzt auch für den Ausstellungstitel.

Was sieht man in der Ausstellung?

Die Ausstellung zeigt drei verschiedene Varianten von Arbeiten. Auf Keilrahmen aufgezogene Leinwand-Arbeiten, lose Leinwand-Fragmente und auf Acrylglas gesprühte Arbeiten. Die Sprühfarbe – schwarz bzw. silber – wurde mittels Abklebungen mit Klebeband teilweise strukturiert, teilweise verlässt sie jedoch diese Vorgaben.

Inwiefern nimmt die Architektur Einfluss auf deine Kunst – oder ist deine Kunst ausgerichtet auf die Architektur?

Ich denke, dass da eine Wechselbeziehung besteht und entsteht. Ich beziehe gerne die Besonderheiten von Ausstellungsräumen in meine Arbeit mit ein, wenn ich die Möglichkeit habe. Dabei finde ich oft die Ecken, die die meisten Menschen gar nicht schön finden, am interessantesten. Die artothek ist einfach ein wundervoller Raum, der mich inspiriert hat und mit dem ich mich im Vorfeld länger beschäftigt habe. Gerade aus dem Grund, weil er denkmalgeschützt ist und ich nicht wie sonst direkt auf den Wänden sprühen und arbeiten konnte, habe ich mir etwas Besonderes ausgedacht. Ich musste mir überlegen, wie ich diesen Umstand für mich nutzen kann und habe dann Acrylglasscheiben in Tür-Größe anfertigen lasse. Bei den Arbeiten auf Acrylglas beziehe ich mich auf die Beschaffenheit des Balkongeländers der artothek, das ebenfalls aus Acrylglasscheiben besteht. Diese Besonderheit wird aufgenommen und taucht in anderer Form im Raum erneut auf. Je nachdem, wie das Licht auf die Scheiben fällt, landet der Schatten der gesprühten Linie auf der Wand, was meinen oft in situ direkt auf die Wand gesprühten Arbeiten sehr nahe kommt. Zudem wird so die Wand auch wieder mit einbezogen in die Ausstellung.

Wie kommt es, dass die Linie mittlerweile oft Ausgangspunkt deiner Kunst ist?

Mein Interesse gilt eigentlich malerischen Aspekten. Ich sage immer, ich wäre gerne Malerin. Mittlerweile habe ich den Pinsel weggelegt und benutze zumindest im Moment nur noch Sprühfarbe und Klebeband zum Abkleben, was auch ein gestalterisches Element ist. Auf jeden Fall interessiert mich nicht primär die Linie, sondern eine Formsprache und eine Bewegung – eine Bewegung, die dann auch im Raum wiederzufinden ist. In der artothek jetzt beispielsweise in den Geländern, im Treppengeländer, im Geländer der Balustrade, in Rundungen. Für mich ist das Sprühen einfach eine freie Bewegung im Raum, die sich an einer Stelle auf einem Untergrund manifestiert.

Was war die größte Herausforderung dabei, den Raum mit einzubinden?

Die größte Herausforderung war tatsächlich, dass ich nicht auf die Wand sprühen konnte. Sonst ist das direkte Arbeiten auf Wänden ein wichtiger Teil meiner Arbeit, da es mir um einen temporären Eingriff, in einer sehr reduzierten und sehr radikalen Weise, auf Räume geht. Das war bisher nie ein Problem. Selbst im Museum of Modern Art in Moskau wurde ich explizit dazu eingeladen, die Arbeiten direkt auf der Wand auszuführen. Dass dies in der aktuellen Ausstellung in der artothek nicht möglich war, war etwas Besonderes für mich und hat mich anfangs auch sehr gequält. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass ich mich fragen musste, wie ich mir und meiner Kunst treu bleiben und trotzdem eine gute Arbeit für die artothek machen kann. Im Endeffekt hat sich aber alles sehr gut gefügt. Als ich dann auf den Gedanken mit den Acrylglasscheiben gekommen bin, war diese Lösung einfach authentisch und hat gepasst.

Was empfindest du, wenn eine Ausstellung, die du gemacht hast, danach einfach übermalt wird?

Das ist für mich gar kein Problem. Ich werde das häufig gefragt. Aber für mich existiert die Idee ja weiterhin, die Arbeit gibt es, die Arbeit kann auch wiederholt werden. Sie kann leicht abgewandelt in einem anderen Kontext nochmal auf einer Wand gesprüht werden. Das hab ich jetzt auch schon zwei- oder dreimal gemacht, obwohl ich meistens für jede Ausstellung etwas Neues entwerfe. Aber für mich ist die Arbeit nicht weg, nur weil sie überstrichen wurde. Es gibt meine Idee, die Zeichnung, es gibt Fotos davon. Aber selbst das ist gar nicht das Wichtigste, sondern dass die Arbeit und die Idee für mich weiter existieren.

Wie viel ist bei deinen Ausstellungen Planung und wie viel ändert sich doch noch spontan?

Ich habe, als ich dann wusste, dass ich hier eine Ausstellung machen kann, schon konkret geplant. Vor allem die Arbeiten mit den Acryl-Glasscheiben, die sind für den Raum entstanden und in Vorarbeit entworfen und entwickelt worden. Dann sind parallel noch Arbeiten auf Leinwand und Leinwandfragmenten in einer größeren Anzahl entstanden. Ich habe dann vor Ort – das war dann vielleicht das Spontane – eine Auswahl getroffen. Diese Auswahl habe ich mit den Acrylglasscheiben und dem Raum kombiniert und alles zusammen geführt zu einem Ganzen.

Wünschst du dir, dass beim Besucher ein bestimmter Eindruck entsteht?

Ich finde diese Reduktion selbst sehr ästhetisch, weil sie für mich auch zur Folge hat, dass der Raum für sich spricht. Und der Raum der artothek ist eben sehr besonders und sehr schön, man kann ihn gut wahrnehmen und vielleicht kann man sich, auch mit Hilfe der Arbeiten, noch mehr auf seine speziellen Begebenheiten einlassen.

Lisa Busche: „Tolerante“ | bis 22.2., Di-Fr 13-19, Sa 13-16 Uhr | artothek – Raum für junge Kunst | 0221 22 12 23 32

INTERVIEW: VIKTORIA LOHNER

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