Wenn etwas die beiden ziemlich unterschiedlichen und sich so kongenial ergänzenden Ausstellungen im Kunstmuseum Villa Zanders vor allem verbindet, dann ist es das Raumgefühl. Das geht weit über die Sorgfalt der Präsentation in den Kabinetten hinaus. Der New Yorker Farbfeld-Maler Howard Smith hat seine Ensembles abstrakter Farbflächen speziell auf die Wände und die Blickachsen hin installiert: Was man hier sieht, bezieht sich ganz auf seine Umgebung. Und in der zentralen Halle darüber – im Grunde mehr als darüber, nämlich über den Köpfen – hat Barbara Camilla Tucholski eine Deckenzeichnung angebracht, welche die Anlage der Etage nachvollzieht: mit wenigen Strichen, durch die überschauende Perspektive verzerrt und deshalb wahrhaftig und eben auch beseelt. Tucholski vermittelt Raumgefühl als seismographische Aneignung, die das Sehen, Laufen, Stehen, Orientieren und Begreifen auf den Punkt bringt.
Aber auch ansonsten stellen sich innerhalb der Präsentation der Werke der Sammlung Altmann Bezüge und Verweise quer durch das Stockwerk ein; eines leitet zum anderen. Die Werke interagieren, kuratiert von Michael Schneider, so miteinander, dass es wie selbstverständlich funktioniert. Das liegt auch daran, dass die Sammlung auf hohem Niveau „aus einem Guss“ ist. Sie wurde im Laufe von dreißig Jahren zusammengetragen. Klaus Altmann berichtet, dass den Erwerbungen ausgiebige Überlegungen vorausgingen und dass ihn – etwa bei der Keramik-Arbeit von Heinz Breloh – das interessiert hat, woran er zunächst gestockt hat.
Normalerweise hängen die Kunstwerke daheim an den Wänden, etwa die Hälfte seiner Sammlung ist jetzt ausgestellt. Die meisten der Künstler leben in Deutschland und sind zwischen 1940 und 1960 geboren. Viele der Werke, zu denen auch Skulpturen gehören, sind abstrakt, gegenstandsfrei. Der Farbauftrag spielt eine wesentliche Rolle, es geht um Haptik und materielle Stofflichkeit. Die tiefe Bedeutung mancher Werke erhellt sich erst aus der Nachbarschaft der Präsentation, und dann gibt es so großartige Einzelwerke wie Tucholskis Gemälde „Jana mit Hund“ und Armin Göhringers schwarze Holzskulptur, die innen und außen verschränkt.
Wie Klaus Altmann, Gründer der Artothek, hat auch Howard Smith (geb. 1943) einen Bezug zur Villa Zanders: Er hat hier bereits 2011 ausgestellt. Tatsächlich aber kann man von seinen Farbtafeln nicht genug bekommen, sie sind Zeichen für die Vielschichtigkeit der Welt und das schier Unfassbare des Sehens. Die Bilder sprühen in ihrer monochromen Farbintensität vor Energie. Dazu setzt Smith die Pinselstriche als Einzelne. Ineinander quasi verwoben, muten sie mitunter wie Frottagen an, die Farbe scheint vor dem Grund zu schweben. Und so wie sich der Strich zur Bildfläche verhält, so verhält sich die einzelne Bildtafel zur Gruppe der Bilder, zumal zu den Nachbarschaften, zu den Zwischenräumen und zur Wand. Es geht eben um das Zusammenspiel und das Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen. Klaus Altmann seinerseits hat ebenfalls derartige Aspekte beim Entstehen seiner Sammlung mitgedacht – die Künstler werden das zu schätzen wissen.
Leben mit Kunst. Die Sammlung Altmann | bis 18.8. | Howard Smith | bis 25.8. | Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach | 02202 14 23 34
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