Im Sonnenlicht glitzern die farbigen Flächen, strahlen hell und farbig bis zum Vibrieren. Eine Werkschau für Mechtild Frisch war überfällig, nun ist sie dem Kunstmuseum Bergisch Gladbach mit seiner Direktorin Petra Oelschlägel zu verdanken. Die in Köln ansässige, lange als Professorin an der Kunstakademie Münster lehrende Künstlerin gehört zu den wichtigen Farbmalern hierzulande und liefert ebenso relevante Beiträge zur Skulptur. Als Material verwendet sie Pappen und Kartons, die sie auf Vorder- und Rückseite flächig einfärbt und dann dicht perforiert. Die Werke hängen mit Abstand vor der Wand oder stehen als plastische Körper mitten im Ausstellungsraum. Die Löcher, die in unterschiedlichen Größen und Ausfransungen, Rhythmen und Konzentrierungen aufeinander folgen, bewirken, dass das Farblicht auf die Wand abstrahlt, nach außen leuchtet und den Raum zum Schwingen bringt. Und weil Frisch mitunter die Löcher innerhalb einer Fläche in unterschiedliche Winkel ausrichtet und das Tageslicht mitspielt, wirken die Werke immer wieder anders.
„Malstücke“ hat Mechtild Frisch als Überbegriff für diese Werke gewählt, schon 1981. Also, sind das jetzt eigentlich noch Malereien oder doch schon eher Plastiken? „Vergiss nicht, ich bin Malerin!“, hat sie im Jahr 2000 der Laudatorin für den Lovis-Corinth-Preis gesagt. Sie hat an den Kunstakademien in Frankfurt, Kassel und Hamburg studiert und dort bei den realistischen Malern Rudolf Hausner und Renato Guttuso abgeschlossen, aber schon in den Jahren danach mit Holz, Spanplatten, Eisen- und Aluminiumblechen abstrakt geometrische Objekte geschaffen. Die Ausstellung in der Villa Zanders beginnt mit den daran anschließenden Werken der frühen 1980er Jahre, mit den Trichtern und den aufgeschnittenen Röhren aus Karton, bei denen Innen und Außen unterschiedliche Farben besitzen und Einblicke ermöglichen. Das weitere Vorgehen mit Lochungen und Stanzungen wäre dann ein eher zufälliger Schritt in ihrem Werk gewesen, sagt Mechtild Frisch.
In Bergisch Gladbach werden viele der großen flächigen „Platten“, bei denen der Farbton changiert, gezeigt, etliche als Leihgabe. Mit ihnen hatte Frisch bereits 1992 eine Ausstellung im Museum Wiesbaden, das als wichtige Adresse für die internationale Farb-Malerei gilt. Faszinierend ist aber genauso, wie sie mit der Farbe Schwarz umgeht, indem sie mittels unterschiedlicher Malmittel verschiedene Helligkeitsstufen und Töne zwischen matt und glänzend erzeugt. Großartig, dass das „Schneewittchenstück“ (1994) aus einem süddeutschen Museum ausgeliehen werden konnte: eine pechschwarze Kartonkiste, die infolge der Perforierung regelrecht durchsichtig ist und eine Vielzahl an Assoziationen auslöst. Ausgestellt sind auch die aktuellen perforierten Postkarten als Sujet, das sie in der Corona-Zeit wieder aufgegriffen hat, sowie die ältere 31-teilige Serie „Was bleibt“ auf der Grundlage eines Selbstporträts von Van Gogh. Gerade hier wird ein wichtiger Aspekt deutlich: Immer handelt es sich um profane Kartons, die aus dem alltäglichen Gebrauch genommen sind, nun ihr neues Dasein reflektieren und sich dann hinter die Seherlebnisse zurückziehen.
Mechtild Frisch – Sehstücke | bis 8.10. | Kunstmuseum Villa Zanders | 02202 14 23 34
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