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„Warten auf Godot"
Foto: Julia Karl

Alter kauziger Freund

22. Dezember 2015

„Warten auf Godot" im Theater Tiefrot – Theater am Rhein 01/16

Der Besuch einer Vorstellung von Samuel Becketts „Warten auf Godot" ist wie ein Treffen mit einem alten Freund, dem man nur gelegentlich begegnet. Aber jedes Mal beschleicht einen das Gefühl: Der Alte ist irgendwie noch kauziger, noch komischer und merkwürdiger geworden. Der Zahn der Zeit nagt an ihm, er müffelt von Mal zu Mal mehr und seine absurde Radikalität, die ihn einst auszeichnete, erscheint milder und wahrhaftiger zugleich. Im Großen und Ganzen ist er der Alte geblieben, ist, wie man ihn seit jeher kennt: ein guter alter Freund.

Das Wiedersehen mit „Warten auf Godot" im Theater Tiefrot im Kunibertsviertel, bildet da keine Ausnahme. Mit akribischer Genauigkeit, großer Konzentration und viel Liebe zum Text arbeitet Wolfram Zimmermann die sinnlose Warterei der beiden metaphysischen Obdachlosen Estragon (Uli Haß) und Wladimir (Peter Niemeyer) heraus. Die Grundsituation ist klar: Zwei Männer warten, zwei andere – Pozzo (Josef Tratnik) und sein Sklave Lucky (Volker Lippmann) – kommen vorbei, verschwinden wieder und tauchen blind und stumm erneut auf, um auch gleich wieder zu verschwinden. Am Ende des ersten und des zweiten Aktes gibt es noch einen Boten, der mitteilt, dass Herr Godot heute wieder nicht kommen wird. Dafür aber ganz bestimmt morgen. Der Rest ist Warten – ohne Aussicht auf Sinn und Hoffnung.

Zimmermann geht mit seiner Inszenierung den klassischen Weg. Die derzeit sehr populäre Deutung, die auf den Franzosen Pierre Temkine zurückgeht und am französischen Originaltext nachweist, dass Becketts Stück historisch im von den Nazis besetzten Frankreich verortet werden kann, spielt keine Rolle. Estragon und Wladimir sind im Tiefrot keine Juden, die auf ihren Schleuser Godot warten, sondern sie sind die klassischen metaphysischen Clowns im Gewand von Landstreichern, die uns mit unbarmherziger Lust die Sinnlosigkeit der nackten menschlichen Existenz vorexerzieren. Man wird geboren und man wird irgendwann sterben, so viel ist klar. Dazwischen liegt nur brutale, sinnlose Ungewissheit, genannt „Leben". Eine solide Inszenierung gespielt von einem gut aufgelegten Ensemble.

„Warten auf Godot" | R: Wolfram Zimmermann | 27.1., 29.1., 30.1., 10.2., 12.2., 13.2. 20.30 Uhr | Theater Tiefrot | 0221 460 09 11

 

BERNHARD KREBS

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