Donnerstag, 2. Juni: Seit dem 26. Mai läuft Natja Brunckhorsts („Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“) Langfilmdebüt als Regisseurin, „Alles in bester Ordnung“, bundesweit in den Kinos. Aus diesem Grund hat sich die Filmemacherin auf eine umfangreiche Kinotour begeben, um ihren zärtlich-liebevollen Film um zwei höchst gegensätzliche Menschen persönlich in zahlreichen Kinos in ganz Deutschland vorzustellen. Nach einer Filmpräsentation am Vortag im Odeon-Kino im Severinsviertel und vor einem Abstecher in die Filmkunstkinos in Düsseldorf besuchte Brunckhorst am frühen Abend auch den Filmpalast am Kölner Hohenzollernring. Aufgrund des frühen Termins und des guten Wetters war die Vorstellung nicht ganz so gut besucht, was die quirlige Regisseurin aber nicht davon abhielt, trotzdem mit viel Herzblut von den Dreharbeiten zu berichten und auf die Fragen des Publikums einzugehen. Weite Teile des Films waren tatsächlich auch in der Domstadt am Rhein entstanden, und den aufmerksamen Zuschauer:innen im Saal war nicht entgangen, dass Brunckhorst die „Landkarte Kölns für die Dreharbeiten neu vermessen“ hatte, da die Protagonisten mitunter lediglich um eine Ecke gehen und dann in einem komplett anderen Veedel landen. Die Regisseurin kommentierte das mit den Worten: „Die Motive mussten mir gefallen und diese Feinheiten erkennen ohnehin nur die Kölner, das merken schon die Zuschauer in Leverkusen nicht mehr.“ Und so kommt es, dass das Weltstadthaus an der Schildergasse hier gleich neben der Hochhaus-Tristesse von Chorweiler angesiedelt ist.
Die Wohnung als dritter Protagonist
Beim Publikumsgespräch erzählte Natja Brunckhorst auch, dass sie „Alles in bester Ordnung“ als eine Hommage an ihre Mutter verstanden wissen möchte. Die war Balletttänzerin und eine sehr schöne Frau gewesen, hatte aber – genau wie Corinna Harfouchs Filmfigur Marlen – „zu viele Sachen“. Durch den persönlichen Bezug war es der Filmemacherin wichtig, im Film keine Wertung mitschwingen zu lassen. „Jeder braucht in seinem Leben eben unterschiedlich viele Sachen“, so Brunckhorst. Sie wollte mit ihrem Debüt einen Film drehen, der berührt und der ihr selbst gefällt. Inspirieren ließ sie sich dazu von französischen Filmen und dem typisch englischen, trockenen Humor. Wie ihr die anwesenden Zuschauer:innen bestätigten, war ihr das hier ausgesprochen gut gelungen. Hinsichtlich der optischen Auflösung wurden sogar Vergleiche mit „Die fabelhafte Welt der Amelie“ gezogen, was die Regisseurin als großes Kompliment verstand. Für Brunckhorst war insbesondere das Szenenbild ihres Filmes von großer Wichtigkeit, denn die Wohnung Marlens spielt in „Alles in bester Ordnung“ so etwas wie die dritte Hauptrolle. „Das Aussehen der Wohnung musste stimmen, sonst hätten wir den Film nicht drehen können“, ergänzte sie nach der Filmprojektion ihre Ausführungen. In Zazie Knepper hätte sie aber eine tolle Szenenbildnerin gefunden, die diese höhlenähnliche, mit unzähligen Gegenständen vollgestellte Unterkunft mit heimeligem Wohlfühlfaktor ideal für den Dreh herrichtete. In einem leer stehenden Krankenhaus in Rodenkirchen wurde das Set der Wohnung gebaut, damit man auch mal eine Wand herausnehmen konnte, denn „die Kamera musste auch durch die Wohnung fliegen können“, so die Regisseurin weiter.
Ordnung und Chaos
Als Kontrast zu der chaotischen Wohnung hatte sich Natja Brunckhorst schon in der Drehbuchphase für eine Flaschensortieranlage als Arbeitsort des von Daniel Sträßer dargestellten Fynn entschieden. Die Dreharbeiten hierzu fanden während des laufenden Betriebs in einer Firma in Oberhausen statt, die sich hierfür als äußerst kooperativ erwiesen. Die Idee für diesen Handlungsteil war der Filmemacherin gekommen, nachdem sie eine Dokumentation über Mathematiker gesehen hatte, die Roboter für das Be- und Entladen von Hochregalen in Lagerräumen programmieren. Einen weiteren wichtigen Stellenwert im Film nimmt die Musikuntermalung ein, die vom „Ausnahmemusiker Lambert“ komponiert wurde, der ansonsten als Klaviermusiker auftritt. Brunckhorst wollte für ihre Figuren und ihren Film für den Soundtrack aber auch ganz bewusst „etwas Besonderes, das sich von einer herkömmlichen Filmmusik abhebt.“ Den Endcredits-Song „Das Vakuum“ schrieb die Kölner Band Erdmöbel. Das dazugehörige Musikvideo, das mit einer 360°-Kamera in 3D aufgenommen wurde, kann man sich auf YouTube mit frei wählbarer Perspektive anschauen und dadurch virtuell in das beeindruckende Filmset von Marlens Wohnung eintauchen.
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