Seit elf Jahren pflegt die Kölner Choreographin Ilona Pászthy einen Kontakt mit ihrem Kollegen Jacques Bana Yanga und dessen gleichnamiger Compagnie aus der Demokratischen Republik Kongo. Über eine Begegnung auf der Tanzmesse ließ sich die erste Zusammenarbeit knüpfen. In der Folge reiste die Kölnerin mit ihrer Truppe IPtanz zu den Festivals nach Kinshasa und in den Tschad. Auch künstlerisch entwickelte sich ein Dialog trotz unzähliger Schwierigkeiten bei der Finanzierung, der Förderung und den Visa-Prozeduren. Obwohl Jacques Bana Yanga ein Künstler ist, der sich bestens in den Tanzmetropolen Paris und Brüssel auskennt, treffen doch zwei unterschiedliche Körpersprachen aufeinander.
Modern Dance begegnet den traditionellen Tanzformen Afrikas, die von rituellen Kontexten geprägt sind und deren Bewegungen von Jagdszenen oder der Beziehung zwischen Männern und Frauen erzählen. Rhythmisch und ungeheuer schnell geht es dabei zu. Und Ilona Pászthy zeigt sich beeindruckt von der hohen Perfektion und dem Fantasiereichtum der Streetdancer. Die größten Unterschiede zwischen den Kompanien betreffen die Arbeitsweisen. „Während wir planen und konzipieren, bevor es ans Tanzen geht, arbeitet Jacques mit Intuition“, erklärt Ilona Pászthy. „Wir in Deutschland vertrauen auf die Strukturen einer stabilen Welt. Scheinbar stabil jedenfalls“, räumt sie ein. „Für die Afrikaner ist die Welt unvorhersehbar. Sie können sich auf nichts verlassen. Deshalb setzen sie ganz auf Spontaneität und Intuition“.
Die Choreographin berichtet von unvorstellbarer Armut, Gewalt und Krankheiten, an denen die Menschen im Kongo leiden. Auch ihr Bühnenbildner infizierte sich bei einem der letzten Aufenthalte in Kinshasa schwerwiegend mit Malaria. Wie fruchtbar die Zusammenarbeit zwischen den beiden Kompanien ist, wird sich bei der aktuellen Premiere von „absence#4“ zeigen. Ilona Pászthys Produktionsreihe thematisiert das Verschwinden sinnlicher Erfahrung in unserer digitalisierten Welt. In Köln werden dann Afrikanerinnen und Europäerinnen in der Tanzhalle von Barnes Crossing gemeinsam agieren. Zuvor gibt es eine Touchtour, bei der sehbehinderte Menschen Körper, Kostüme und Kulissen berührend erkunden können, während der Vorstellung stehen Audio-Descriptions zur Verfügung.
absence#4 | 7.9. 20 Uhr (P), 9.9. | Barnes Crossing im Kunstzentrum Wachsfabrik | 0172 986 32 34
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Überleben im männlichen Territorium
Festival Urbäng! 2023 im Orangerie Theater – Prolog 09/23
Den Nerv der Zeit erkannt
Screen Dance Academy #3 in Wuppertal – Festival 08/23
Posing, Schutz und Voyeurismus
„What is left“ in der TanzFaktur – Auftritt 08/23
Den Blick weiten
Internationales Tanz-Netzwerk Studiotrade – Tanz in NRW 07/23
Das Gras wachsen hören
„Grün“ von tanzfuchs – Tanz in NRW 07/23
Die schwarze Sonne der Melancholie
Jan Jedenaks neue Produktion „Untiefe“ in der Tanzfaktur – Auftritt 06/23
Visionen, Mut und Fleiß
Rund zehn Jahre Kölner Tanzfaktur – Tanz in NRW 06/23
Ausgerechnet der Zirkus
Circus Dance Festival in Köln – Festival 05/23
Dialoge der Körper
SoloDuo Tanzfestival in Köln – Tanz in NRW 05/23
Über den Augenblick hinaus
Jahresausstellung im Tanzarchiv
Das überraschende Moment
Bühnenbildner miegL und seine Handschrift – Tanz in NRW 04/23
Gesellschaftlicher Seismograph
8. Internationales Bonner Tanzsolofestival – Tanz in NRW 03/23
Tänzerinnen als „bad feminist“
tanz.tausch in Köln – Tanz in NRW 08/23
Akustischer Raum für den Tanz
Jörg Ritzenhoff verändert die Tanzwahrnehmung – Tanz in NRW 02/23
Kann KI Kunst?
Experimente von Choreografin Julia Riera – Tanz in NRW 01/23
Wie geht es weiter?
Mechtild Tellmann schaut auf Zukunft des Tanzes – Tanz in NRW 12/22
Der Zirkus verwandelt die Welt
„Zeit für Zirkus“ - Festival in NRW – Tanz in NRW 11/22
Reflexion oder Reaktion?
Urbäng! Festival mit Sonderausgabe zur Ukraine – Festival 10/22
Dem Tod auf der Spur
Neues von Angie Hiesl und Roland Kaiser – Tanz in NRW 09/22