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31 Moralapostel

01. Mai 2009

Ungemach an der Kölner Oper - Theaterleben 05/09

Mitte April hatten bereits 28 von 64 Chormitgliedern die Proben zu „Samson et Dalila“ von Camille Seint-Saens unter der Regie von Tilman Knabe an der Kölner Oper abgebrochen, als schließlich auch Kölns Kammersängerin Dalia Schaechter, Samuel Youn und Ulrich Hielscher als erste Solisten aus der Produktion ausstiegen: Zu heftig seien die Kriegs- und Vergewaltigungsszenen im Kriegs-Epos über den Hebräer Samson und die Philisterin Dalila. Gerade im Opernchor seien zunehmend „körperliche und seelische Krankheiten entstanden.“ In einem Schreiben des Personalrates an die Mitarbeiter heißt es, dem Artikel 5 des Grundgesetzes zur unbedingten „Freiheit der Kunst“ stehe in diesem Fall der Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ entgegen. Was für ein Quatsch! Es geht hier ja nicht darum, Gewalt und Massenvergewaltigungen in Wirklichkeit zu begehen oder zu verherrlichen, sondern um deren professionelle Darstellung auf einer Bühne. Gerade solche – die Menschenwürde und Menschlichkeit überhaupt in Frage stellenden Handlungen – ins Bewusstsein der Allgemeinheit zu heben und anzuprangern, ist förmlich Pflicht und Auftrag der Darstellenden Künste und der in ihnen bezahlt tätigen Künstler, nicht das „Wegsehen“. Nicht allein schöngeistiges Schaulaufen, sondern auch die schmerzhafte Auseinandersetzung mit solch unappetitlichen Vorgängen gehören zum selbst gewählten künstlerischen Beruf. Sind in diese Arbeit Kinder oder Menschen mit traumatischen Vorschädigungen einbezogen, so sieht die Sachlage freilich anders aus, noch mehr Sensibilität und Vorarbeit ist vonnöten, und es muss eine verantwortungsvolle Abwägung der Zumutbarkeit erfolgen, gegebenenfalls psychologische Hilfe hinzugezogen, das Publikum vorgewarnt und eine Altersbeschränkung festgelegt werden. That´s it. Bei allen anderen künstlerisch Beschäftigten ist die Weigerung zur Zusammenarbeit unter dem Vorwand, moralische Tabus würden angetastet oder Geschmacksgrenzen überschritten, schlicht unprofessionell, und es drängt sich doch stark der Verdacht auf, dass man sich unter dem Deckmäntelchen der Moralapostel eines missliebigen Regisseurs bzw. einer ungeliebten Produktion entledigen will. Für ein nicht geringes Maß an Unprofessionalität an der Kölner Oper im Interimsjahr ohne Intendanten spricht zudem, dass diese Vorgänge nicht intern geklärt werden, sondern vermutlich um Druck aufzubauen, an die Öffentlichkeit gelangen. Ob dagegen das Werk am 2. Mai ebenfalls das Licht der Welt erblicken wird, scheint nach den jüngsten Aussagen des musikalischen Leiters Enrico Delamboye, der nach den zahlreichen Ausstiegen die künstlerische Qualität und überhaupt die Machbarkeit gefährdet sieht, zumindest fraglich. Sollte der Abend rauskommen, so kann sich jeder selbst ein Bild machen, ob sich die Sänger tatsächlich zu Recht aus der Produktion verabschiedeten, denn aktuell steht das umstrittene Werk neben der Premiere am 2. noch am 9., 13., 16., 23., 29. und 31. Mai auf dem Spielplan...

JÖRG FÜRST

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