„Frauen zeigen ihr Gesicht, Männer ihre Filme.“ Unter diesem Titel veröffentlichten Schauspielerinnen und Regisseurinnen vor vier Jahren einen Debattenbeitrag in der französischen Tageszeitung „Le Monde“. Anlass war wieder einmal die Einladungspolitik der Internationalen Filmfestspiele von Cannes, bei denen es traditionell nie bis kaum Filme in den Wettbewerb schaffen, die von Regisseurinnen gedreht wurden. Unter der gleichen plakativ-pointierten Überschrift kam kürzlich eine Studie heraus, die die Repräsentanz von Frauen im Programm deutscher Filmfestivals untersucht hatte.
Tanja C. Krainhöfer und Konrad Schreiber, Marktforscher und Wettbewerbsanalytiker in der Film- und Kulturbranche, betrachteten dafür 19 bayerische Filmfestivals, die im Jahr 2015 stattfanden und 1830 Beiträge zeigten. Nun könnte man sich fragen, ob die Ausgangslage repräsentativ ist (und sich obendrein wundern, dass es allein im Freistaat so viele Filmfestivals gibt). Doch auch ohne Statistiker zu sein, muss man nur einen Blick auf eine beliebige ähnliche deutsche oder internationale Veranstaltung werfen und kommt zu korrespondierenden Ergebnissen, die letztlich nur das widerspiegeln, was sich auch Monat für Monat in den Listen der Neustarts zeigt: Der Anteil an von Frauen inszenierten Filmen ist und bleibt eklatant gering im Vergleich zu denen, die von Männern gedreht wurden. Von den Produktionen, die bei uns in die Kinos gelangen, sind nur 20 Prozent aus weiblicher Hand; die Autoren der neuen Studie fand heraus, dass das Verhältnis bei den bayerischen Festivals 1:3 betrug. Wobei die Beiträge von Regisseurinnen Kurz- oder mittellange Filme waren und sich deutlich mehr Animations- und Dokumentarfilme darunter fanden als Spielfilme in abendfüllender Länge.
Wir wagen mal die steile These, dass bei den im August anstehenden Festivals keine umwälzenden Trends zu erwarten sind. Filme zu machen ist also auch anno 2016 eine Männerdomäne geblieben. Im Sinne der Gleichberechtigung ist das ein betrüblicher, jedoch wenig überraschender Zustand. Zum Glück hängt wenigstens die Qualität eines Films nicht vom Geschlecht desjenigen ab, der ihn inszeniert hat und ist das Kriterium der genderpolitischen Gerechtigkeit im Kinosaal nur ein Aspekt unter vielen. Man darf sich also freuen auf Filmfeste wie das im schweizerischen Locarno (3.-13.8.). Oder, wenn man nicht so weit reisen kann oder will, SoundTrack_Cologne, den größten deutschen Fachkongress für Musik und Ton in Film, Games und Medien, der vom 24. bis 28.8. schon im dreizehnten Jahr stattfindet und sich neben Fachbesuchern dezidiert auch an das film- und musikinteressierte Publikum richtet.
„Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste“ lautete vor zwei Jahren der Titel einer selbstreferentiellen Satire. Auch dieser Fakt ist nicht von der Hand zu weisen. Wer wirklich was zeigt und ob er oder sie dabei vor oder hinter der Kamera stand – darüber können Sie diesen Monat angesichts der Neustarts im Kino ja mal Ihre eigenen Schlüsse ziehen.
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