Nein, nicht die Polizei steckt dahinter, auch wenn der Tonfall dafür spricht: “Achtung, Achtung, hier spricht das Filmbüro!“ Groß prangt die schwarze Schrift auf rotem Hintergrund. Etwas kleiner dazwischen: „42 Jahre unabhängiger Film“. Das ist eine unzureichende Erklärung für nicht Eingeweihte, die gerne wüssten, was sich hinter dem Deckel des über 400-seitigen Buch verbirgt. Es ist das Ergebnis einer vereitelten Feier des Filmbüro NW. Vor zwei Jahren sollte das 40-jährige Jubiläum gefeiert werden, mit einem großen Fest und einem kleinen Jubiläumsheftchen. Dann kam Corona, und das Fest wurde immer kleiner, während das Heftchen immer dicker wurde. Am Ende fiel das Fest ganz aus und aus dem Heftchen ist ein dicker, von Christian Fürst und Marcus Seibert herausgegebener Band im Din A4-Format mit zahlreichen historischen Texten und Dokumenten und aktuellen Rück- und Ausblicken geworden. Warum das an dieser Stelle erwähnen? Weil das Filmbüro als Verein in diesen zurückliegenden 42 Jahren seit seiner Gründung 1980 die Filmszene in NRW, über die wir hier (auch schon seit 33 Jahren!) Monat für Monat berichten dürfen – Filme, Filmemacher:innen, Produzent:innen, Verleihfirmen, aber auch Festivals und andere Formen der kuratierten Filmvorführung – zum Blühen gebracht hat.
Unterstützt vom Land und gegründet in Mülheim, weil die Stadt dort Büros in einem schönen Schloss anbot, fanden sich Einzelkämpfer und Gruppen aller Couleur zusammen – gestandene Filmemacher:innen, Autodidakten und filmisch interessierte Aktivist:innen jeglicher Art. Und dann wurde ohne große Bürokratie Geld verteilt, um Filme zu machen. Eine Freiheit, von der in den 80er Jahren auch junge Quereinsteiger wie Christoph Schlingensief oder Helge Schneider profitieren konnten. Seit 1998 setzt sich im Filmbüro die Dokumentarfilminitiative für die Belange des Dokumentarfilms ein. 2008 erfolgte der gemeinsame Umzug nach Köln. Rund 200 aktive Mitglieder aus der Filmbranche hat das Filmbüro heute.
Wie auch das Filmschnittfestival Edimotion oder das Filmmusikfestival Soundtrack Cologne ist das Filmbüro aber nicht durch Kulturförderung, sondern durch Wirtschaftsförderung finanziert. Hier zeigt sich das ewige Problem, dass im Gegensatz zu Bühnen-Kultur und der Bildenden Kunst die Filmkunst immer zwischen den Stühlen von Kunst und Kommerz angesiedelt ist – auch die Arthauskinos können davon ein Lied singen. Dass die Wirtschaftsförderung in Köln, also nicht das Kulturamt, sondern KölnBusiness, die Finanzierung gerne an das Kulturamt abgeben würde, war schon vor einem Jahr klar (choices berichtete an dieser Stelle).
Ein Jahr später wurde für die finanzielle Absicherung des Filmbüros, der Filmfestivals (und auch von c/o-pop, Crime Cologne u.a. Veranstaltungen) – das ist kurz vor der Verabschiedung des neuen Haushalts zu befürchten – anscheinend noch keine Lösung gefunden. Für 2023 bereitet das den genannten Institutionen und mit ihnen der gesamten Filmkultur in Köln große Sorgen. Ein klares Bekenntnis zur finanziellen Förderung wäre viel Wert. Und so steckt zwar nicht die Polizei hinter dem Buchtitel – ein Krimi um die Zukunft u.a. des Filmbüro NW könnte es in den kommenden Monaten und Jahren dennoch werden. Hoffentlich mit Happy End.
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