Kompliziert können menschliche Beziehungen sein. Das wissen wir, aber wie sieht es aus, wenn sich das Netzwerk der Persönlichkeiten verknotet? Die katalanische Kompanie von Roser Lopéz Espinosabietet in der Tanzfaktur ihre Produktion „Trama“, die Bewegung der andere Art erforscht. Physical Dance ist immer häufiger auf unseren Bühnen in Deutschland zu sehen. Die Katalanen gehören mit ihrem sechsköpfigen Ensemble von Frauen und Männern zu den Spitzenteams dieser neuen, spektakulären Spielart des Tanzes. Sie bilden menschliche Türme, wirbeln durch die Luft und beherrschen das Einmaleins der Akrobatik. Menschliche Zusammenarbeit im Fadenkreuz der Gruppendynamik stellt sich hier als ein Gewirr von Körpergliedern dar, das an Dichte gewinnt, je länger ihre Performance dauert.
Die Truppe von der Iberischen Halbinsel ist aber nicht die einzige Attraktion der diesjährigen Sommerakademie des Tanzes in Köln. Die legendäre Veranstaltung musste wegen der Corona-Auflagen in diesem Jahr abgespeckt werden. An Attraktivität hat das kleine Festival aber nicht eingebüßt, schon allein deshalb, weil es das Publikum im Rheinland wieder mit anderen Traditionen und ästhetischen Vorstellungen der Tanzkunst überraschen wird. So kommt aus Polen Maciej Kuźmiński mit seiner Tanz-Performance „Plateau“, in der die Homophobie mit der katholischen Prägung Polens über Kreuz gebracht wird. Ein Stück, um das sich im Nachbarland ein Skandal rankt. Jesus Christus in High Heels und jede Menge Anspielungen auf den verklemmten Umgang mit Minderheiten – das führte zu Verboten. Zu sehen ist die Produktion jetzt zwei Mal in der Tanzfabrik.
Internationale Gastspiele
Daneben gibt es Gastspiele aus Schweden, Italien und Mexiko. Belgien ist ein Dorado des Tanztheaters, von hier kommt mit der Choreografie „Same Same“ eine Arbeit des Kollektivs Dame de Pic nach Deutschland. In die distiguierte und entsprechend langweilige Atmosphäre des Büroalltags kommt die triebhafte Ader zweier Sekretärinnen zum Vorschein. Das Duett der beiden Tänzerinnen in schwarzen Bleistiftröcken nimmt gefräßige erotische Dimensionen an. Eugène Ionesco könnte bei dieser Produktion Pate gestanden haben.
Eine besondere Ehre erfährt die Tanzfaktur mit der diesjährigen Festivalteilnahme von Amos Ben-Tal. Der in den Niederlanden lebende israelische Choreograf stellt in einer Art Pre-Pre-Premiere seine neue Produktion „Interval“ vor. Mit Hilfe von Skulpturen entwickelt Ben-Tal einen Dialog zwischen Tanz und bildender Kunst. Zur Tradition des Festivals zählt das Workshop-Angebot, bei dem sich die Gäste großzügig über die Schulter schauen lassen. Die Tänzerinnen und Tänzer führen in die Akrobatik ein, sie zeigen wie die Dramaturgie der Duette funktioniert oder geben Einblick in die Formen der Improvisation, mit denen das Nederlands Dans Theater arbeitet.
Sommerakademie des Tanzes | 10.7. - 24.7. | TanzFaktur | www.tanzfaktur.de
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