Hitzige Debatten werden um die Gleichberechtigung im Berufsleben geführt, wenn es z.B. um die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere geht. Doch während die Väter hier stärker partizipieren sollen und wollen, scheinen die Herren der Schöpfung beim Thema Verhütung nur dabei, statt mittendrin zu sein. Blickt man auf die Geschichte der Verhütungsmethodik des letzten halben Jahrhunderts zurück, liest sich diese zunächst wie die Fabel eines weiblichen Befreiungsschlages: beginnend mit der Zulassung der Anti-Baby-Pille 1960, fortgesetzt durch die Fristenregelung des Abtreibungsgesetzes Mitte der 1970er und ergänzt um die rezeptfreie Zulassung der „Pille danach“ durch die EU-Kommission Anfang 2015. Diese medizinischen Innovationen und gesetzlichen Liberalisierungen verschaffen Frauen mehr Souveränität über ihren Uterus, sind sinnvoll und fortschrittlich. Frauen haben aber nicht nur die Kontrolle, sondern tragen auch die Pflicht zur Verhütung meist allein, gerade in festen Beziehungen.
Laut einer Online-Umfrage der Zeitschrift Men’s Health 2014 wollen zwar 30 % der befragten Männer die Verhütung nicht der Frau allein überlassen, für mehr als die Hälfte (55 %) ist aber die Pille das Mittel „ihrer“ Wahl. Auch eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Verhütungsverhalten, die 2011 unter sexuell Aktiven zwischen 18 und 49 Jahren durchgeführt wurde, spricht dafür. Mehr als die Hälfte der Befragten beiderlei Geschlechts gaben die Anti-Baby-Pille als favorisiertes Verhütungsmittel an. Der männliche Wunsch nach Eigenverantwortung scheint vorhanden, besteht aber hauptsächlich darin, dass frau die Pille nehmen möge. Zu der subjektiv empfundenen Ungerechtigkeit kommen bei immer mehr Frauen medizinische Bedenken. Die hormonelle Verhütung greift aggressiv in den natürlichen Zyklus ein, kann starke Nebenwirkungen verursachen und über ein erhöhtes Krebsrisiko in Verbindung mit der Pille streitet die Medizin seit Jahren. In stark frequentierten Foren wie dem des Online-Frauenmagazins gofeminin häufen sich zudem Einträge zur Unverträglichkeit der Pille und der Wunsch nach natürlichen Alternativen nimmt zu. Biotrendwende und Hormoncocktail passen eben schlecht zusammen.
Doch was könnten Männer tun? Aktiv bleibt ihnen tatsächlich nur das Kondom oder die unumkehrbare Sterilisation, wollen sie nicht allein in das verantwortungsvolle Verhütungsverhalten der Frau vertrauen. Vorerst wird sich daran auch nichts ändern, das WHO-Forschungsprojekt für die Spritze für den Mann wurde bereits 2011 eingestellt. Die Gleichberechtigung ist, was Verhütung betrifft, noch am Anfang. Hier sollte die Medizin neue Wege finden – oder zumindest danach suchen. Bis dahin muss die Mehrheit der Männer vermutlich zunehmend mit Kondomen leben (lernen), denn sonst bleibt ihnen künftig vielleicht nur das einzige, 100% sichere Verhütungsmittel: die Enthaltsamkeit.
Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Mehr Frauenförderung
Gender Backlash: Feminismus verliert – THEMA 10/16 FRAUENRECHT
Männer ewig von gestern?
Wie Männer gegen Feminismus mobilisieren – Thema 10/16 Frauenrecht
„Feminismus mit dem Ziel einer linken Bewegung verbinden“
Philosophin Judith Butler über den Gender Backlash – Thema 10/16 Frauenrecht
Bugwelle der Demütigungen
Opfer der Kölner Silvesternacht werden medial ausgebeutet – THEMA 03/16 FRAUENLEBEN
„Rückständige Frauenbilder in Migrationsfamilien“
frauTV-Moderatorin Lisa Ortgies über die feministische Debatte nach der Kölner Silvesternacht – Thema 03/16 Frauenleben
Geschärfte Wahrnehmung
Kölner Verein bietet Hilfe für Opfer sexualisierter Gewalt – Thema 03/16 Frauenleben
Zuschreibungen begegnen
Das Filmnetzwerk LaDOC zeigt Helke Sanders „BeFreier und Befreite“ – Festival 02/16
Frauen aller Länder, vereinigt euch
Doku „The Power of Women“ in der Arte/WDR-Preview im Filmforum – Foyer 02/16
Gute Künstlerinnen sind (k)eine Rarität
Kunstmesse.25 im Bonner Frauenmuseum vom 13.-15.11. – Kunst 11/15
Die Verbrechen der Freunde
Die Aufdeckung der Massenvergewaltigungen des 2. Weltkrieges verändert unser Geschichtsbild – Textwelten 06/15
Schamlosigkeit als Waffe
Laurie Penny liest am 11.6. im King Georg aus ihrem neuen Buch „Unsagbare Dinge“ – Literatur 06/15
Utopien sind gut
Laurie Pennys feministisches Manifest „Unsagbare Dinge“ fordert mehr Gerechtigkeit für alle Geschlechter
Kulturschock
Intro – Kunst & Kultur
Inspiration für alle
Teil 1: Leitartikel – Wer Kunst und Kultur beschneidet, raubt der Gesellschaft entscheidende Entwicklungschancen
„Mich hat die Kunst gerettet“
Teil 1: Interview – Der Direktor des Kölner Museum Ludwig über die gesellschaftliche Rolle von Museen
Kultur am Kipppunkt
Teil 1: Lokale Initiativen – Bruno Wenn vom Kölner Kulturrat über die Lage der städtischen Kulturhäuser
Unbezahlbare Autonomie
Teil 2: Leitartikel – Die freie Theaterszene ist wirtschaftlich und ideologisch bedroht
„Ich glaube schon, dass laut zu werden Sinn macht“
Teil 2: Interview – Freie Szene: Die Geschäftsführerin des NRW Landesbüros für Freie Darstellende Künste über Förderkürzungen
Zwischen Bar und Bühne
Teil 2: Lokale Initiativen – Das Neuland als kulturelles Experiment im Bochumer Westend
Der Kulturkampfminister
Teil 3: Leitartikel – Wie Wolfram Weimer sein Amt versteht
„Kultur muss raus ins Getümmel“
Teil 3: Interview – Philosoph Julian Nida-Rümelin über Cancel Culture und Demokratie
Querschnitt der Gesellschaft
Teil 3: Lokale Initiativen – Das Kulturbüro Wuppertal als Partner der freien Szene
Die Kunstinitiative OFF-Biennale
Wer hat Angst vor Kunst? – Europa-Vorbild: Ungarn
Was hat Kultur denn gebracht?
Eine Erinnerung an Nebensächliches – Glosse
Branchenprobleme
Intro – Gut informiert