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„Romeo und Julia“
Foto: Krafft Angerer

Schrei nach Liebe

26. Oktober 2017

„Romeo und Julia“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 11/17

Los geht’s gleich mit der Party im Hause Capulet. Techno-Musik wummert und das stark von 32 auf 11 Rollen eingestrichene Personal von Shakespeares „Romeo und Julia“ reckt und streckt sich, wackelt im Takt mit dem Hintern. Schon zu Beginn der Inszenierung von Pinar Karabulut im Depot 1 des Kölner Schauspiels wird klar: Star und Fluch der Inszenierung ist die Bühne von Bettina Pommer. Einerseits eine gewaltige Zimmerflucht aus Plexiglas mit Dreh- und Schiebetüren. Eine Mischung aus Labyrinth und Spiegelkabinett. Immer wieder entstehen neue Räume. Das ist gut für die Dynamik, von der der Abend reichlich hat. Andererseits ist die Bühne Fluch, weil Streben immer wieder den Blick auf das Geschehen versperren; bei geschlossener Front sind die Spieler nur über Mikrofon zu hören und klingen nicht selten, als sprächen sie (wenn sie nicht gerade schreien) durch ein Konservenbüchsentelefon.

Dabei wird die wohl berühmteste Liebesgeschichte der Welt von Karabulut stringent, temporeich und mit viel Liebe und Einfallsreichtum selbst für die kleinste Nebenfigur erzählt. Alles geht Schlag auf Schlag: Vom Verlieben der Protagonisten bis zur heimlichen Heirat braucht es nur Minuten. Und die intensive Aufführung verginge wie im Fluge, wenn die Inszenierung nicht in totaler Überhitzung irgendwann ziemlich nerven würde. Gefühlte 90 Prozent des Abends brüllen die Schauspieler in einer Tour durch. Ein alles – Liebe, Leidenschaft, Hass, Wut, Hoffnung, Sehnsucht und so weiter – nivellierender Schrei-Brei.

Vielleicht überschätzt Karabulut nach drei hervorragenden Inszenierungen („Invasion“, „Furcht und Ekel“ und „Karnickel“) auf den deutlich kleineren Bühnen in der Grotte und der Außenspielstätte des Schauspiels die Größe des Depot 1. Vielleicht liegt es auch am Missverständnis, Intensität mit Lärm zu verwechseln. Kristin Steffens Julia strotzt jedenfalls nur so vor Energie, so dass ihr Liebes-Enthusiasmus eher wie Hysterie wirkt. Thomas Brandt hingegen versucht seinem Romeo die eine oder andere Facette jenseits der völligen Überhitzung abzutrotzen. Womit er leider ziemlich alleine dasteht.

„Romeo und Julia“ | R: Pinar Karabulut | 3., 4., 11., 29.11. 19.30 Uhr, 12.11. 16 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 221 284 00

Bernhard Krebs

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