Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 31

12.553 Beiträge zu
3.784 Filmen im Forum

„Faust I“
Foto: Thomas Aurin

Romance is dead

23. Februar 2017

„Faust I“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 03/17

Woran verzweifelt dieser Dr. Faust eigentlich: An der Wissenschaft? Nein. Als Mann am Klavier ist er wohl eher Künstler. An seinem nicht zu befriedigenden Wissensdrang? Hat er nicht. An seiner eigenen Skepsis? Er interessiert sich für nichts. Philipp Pleßmann gibt den Hipster im Anzug, der zwar die Antikenbüste auf dem Flügel stehen hat, aber anfangs nur „Bla-Bla“ von sich gibt. Dieser Faust ist eine Leerstelle, mit näselndem Diskant, unauratisch, desinteressiert – das Opfer einer Wette zwischen der dunkelhäutigen Gott-Puppe und Teufel Mephisto. Irgendwie reingeraten. Damit ist das Drama eigentlich beendet, doch Regisseur Moritz Sostmann zerrt uns nun dreieinhalb Stunden durch Goethes Opus magnum. Immerhin gibt Yvonne Jansen einen glamourösen Mephisto mit schwarzen Engelsfügeln und Paillettenanzug, der den schlappen Titelhelden mühsam auf Trab bringt. Vielleicht lässt sich das Böse ja durch Lethargie aussitzen? Auch nicht.

Der Osterspaziergang wird in das Bild einer nautischen Daseinsmetapher gepresst. Die Gesellschaft hockt in einem Boot: Ist das nun angeblich schon voll? Ist die Gesellschaft selbst auf der Flucht? Oder kommt sie gerade an? Unklar, wie so vieles an diesem Abend. Und auch zwischen Gretchen und Faust funkt es nicht. Katharina Schmalenberg im roten Daunenanorak („Romance is dead“) gibt sie burschikos bis ruppig und vor allem genervt von dem alten Sack. Während er an seinem Flügel hockt, drischt sie auf ihr Klavier ein oder zieht sich in einen Ohrensessel zurück. Klangerotik und Revierabgrenzung. Ok, Schmuck muss sein: Diamonds are a girls best friend – aber den Sex müssen dann schon die Puppen vollziehen, da halten sich Schauspieler raus. Das „Lacrimosa“ aus Mozarts „Requiem“ weint dann weniger über den Missbrauch einer Minderjährigen als über der Menschheit ganzen Jammer. Warum Gretchen schließlich wahnsinnig wird, bleibt genauso unerfindlich wie die missglückte Racheaktion ihres Bundeswehrbruders Valentin. Ein Abend, der keine Lust auf mehr macht: Doch „Faust II“ wartet schon.

„Faust I“ | R: Moritz Sostmann | 3., 18.3. je 19.30 Uhr, 5.3. 18 Uhr, 15., 28. u. 29.3. je 19 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 221 84 00

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Kung Fu Panda 4

Lesen Sie dazu auch:

Flucht auf die Titanic
„Muttertier“ am Schauspiel Köln – Prolog 03/24

Parolen in Druckerschwärze
„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ am Schauspiel Köln – Auftritt 03/24

„Es wird ein Kampf um Vormachtstellung propagiert“
Rafael Sanchez inszeniert „Die letzten Männer des Westens“ am Schauspiel Köln – Premiere 03/24

Kaninchenbau des Hasses
„Die letzten Männer des Westens“ am Schauspiel Köln

Dunkle Faszination
Franz Kafkas „Der Prozess“ am Schauspiel Köln – Auftritt 02/24

Wiederholungsschleife
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/24

Standbein und Spielbein
Pinar Karabulut und Rafael Sanchez gehen nach Zürich – Theater in NRW 01/24

„Der Roman lässt mich empathisch werden mit einer Mörderin“
Regisseur Bastian Kraft über „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – Premiere 01/24

Ein Martyrium der Erniedrigung
„Kim Jiyoung, geboren 1982“ am Schauspiel Köln – Auftritt 12/23

Ohne Opfer kein Krimi
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Prolog 12/23

Ende der Zivilisation
„Eigentum“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 11/23

Verliebt, verlobt, verlassen?
„Erstmal für immer“ am Schauspiel Köln – Prolog 10/23

Theater am Rhein.

Hier erscheint die Aufforderung!