Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences hat in der Nacht auf Montag wieder ihre Oscars vergeben. Sämtliche Gewinnerfilme, von „Birdman“ über „Grand Budapest Hotel“, „Whiplash“, „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ und „Citizenfour“ sind derzeit in den Kölner Kinos zu sehen. Dazu startet am 5. März „Still Alice - Mein Leben ohne Gestern“ mit Julianne Moore, die den Preis als beste Hauptdarstellerin erhielt.
Die Gewinnerfilme:
Birdman - 4 Oscars (Bester Film, Beste Regie, Bestes Originaldrehbuch, Beste Kamera)
Riggan Thomson (Michael Keaton), in den 1990ern ein gefeierter Kino-Comicheld, sucht nun auf der Broadwaybühne nach Anerkennung. Die Theaterproduktion soll nicht nur für neue Aufmerksamkeit sorgen, sondern ihm auch einen Ruf als Regisseur und Charakterdarsteller verschaffen. Als sein zweiter Hauptdarsteller durch einen Bühnenunfall ausfällt, droht die Aufführung in einem Desaster zu enden. Alejandro González Iñárritus „Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“ (Cinedom, Cinenova, Odeon, UCI, OmU im OFF Broadway) reiht sich ein in die Riege großer Theaterfilme von Ernst Lubitschs „Sein oder Nichtsein“ über John Cassavetes‘ „Die erste Vorstellung“ zu Robert Altmans „Last Radio Show“. Mit viel Humor und Biss nimmt der Film die Marotten im Showbiz auf‘s Korn, streift die Kaste der Kritiker und thematisiert nicht zuletzt auch die Rolle des Publikums.
Grand Budapest Hotel - 4 Oscars (Bestes Szenenbild, Bestes Kostümdesign, Bestes Make-Up und Frisuren, Beste Filmmusik)
Osteuropa zwischen den beiden Weltkriegen. Seit knapp zwei Jahrzehnten pflegt Concierge Monsieur Gustave H. (Ralph Fiennes) eine saisonale Liaison mit der vermögenden Witwe Madame D. (Tilda Swinton). Als die Frau stirbt, erbt Gustave ein wertvolles Gemälde. Doch die Familie von Madame, insbesondere Madames Sohn Dimitri Desgoffe-und-Taxis (Adrien Brody) ist not amused. Gemeinsam mit seinem Pagen (Tony Revolori) begibt sich Gustave auf abenteuerliche Reise, um das Erbe einzufordern. Wes Anderson lässt die beseelte Poesie von „Darjeeling Limited“ und seine emotionalen Ansätze aus „Moonrise Kingdom“ hinter sich und konzentriert sich in „Grand Budapest Hotel“ (Residenz) wieder auf leinwandsprengenden Klamauk, der prall gefüllt ist mit Stil und Phantasie, mit Schalk und Nostalgie. Und Leinwandstars im Minutentakt.
Whiplash - 3 Oscars (Bester Nebendarsteller: J.K. Simmons, Bester Schnitt, Bester Ton)
Der 19-jährige Jazz-Schlagzeuger Andrew (Miles Teller) kommt ans Musikkonservatorium - doch seine Ambitionen werden ausgebremst. Bis ihn Terence Fletcher (J.K. Simmons) unter seine Fittiche nimmt. Der ist ein cholerischer Sadist, der seine Schüler anschreit, beleidigt und sogar tätlich angreift, um aus ihnen das Beste herauszuholen. Doch mit dem ehrgeizigen Andrew ist er an einen ebenso extremen Charakter geraten, der um alles in der Welt seinen Traum vom Star-Drummer leben will. Es entfaltet sich ein Kampf zwischen den beiden grenzwertigen Persönlichkeiten. Damien Chazelle, der Autobiografisches in seinen Film „Whiplash“ (Cinenova, Odeon, UCI) gelegt hat, inszeniert das musikalische Duell als spannenden Psychothriller, der mit einem Drumsolo als Showdown endet.
Die Entdeckung der Unendlichkeit - 1 Oscar (Bester Hauptdarsteller: Eddie Redmayne)
Cambridge 1963. Nach dem Abschluss seines Studiums widmet sich der aufstrebende Kosmologe und Mathematiker Stephen Hawking (Eddie Redmayne) seiner Promotion. Der junge Mann hat Großes vor und arbeitet an einem nächsten Forschungssprung. Sein Streben gilt der einen einheitlichen Gleichung, die den ganzen Kosmos erklärt. Privat ist der Nerd gut drauf und humorvoll, weist aber keine Erfolge auf in Liebesdingen. Das ändert sich, als Hawking der Kommilitonin Jane (Felicity Jones) begegnet. Dann der tragische Einschnitt: Hawking erkrankt an ALS. Die literarische Vorlage zu dem bewegenden Film „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ (Residenz, OmU im Metropolis) bildet nicht Hawkings Bestseller „Eine kurze Geschichte der Zeit“, sondern die Biografie seiner ersten Ehefrau Jane. Das hätte in einer Fernsehschmonzette enden können. Die Adaption von James Marsh jedoch gestaltet sich als ein zärtlich erzähltes Drama. Eddie Redmayne („My Week with Marilyn“) verkörpert Hawking als sympathischen, optimistischen, vor allem aber humorerfüllten Forscher und Familienvater.
Still Alice - 1 Oscar (Beste Hauptdarstellerin: Julianne Moore)
Julianne Moore spielt in „Still Alice - Mein Leben ohne Gestern“ (ab 5.3. im Cinenova, Cinedom, Odeon, OmU im Metropolis) die 50-jährige Alice, eine Linguistik-Professorin, die mit ihrem Mann John (Alec Baldwin) in Los Angeles lebt. Das Paar hat drei Kinder. Zwei von ihnen, Anna (Kate Bosworth) und Tom (Hunter Parrish), klettern bereits fleißig im Sinne der Eltern die Karriereleiter hinauf. Die jüngste Tochter hingegen, Lydia (Kristen Stewart), versucht sich als Schauspielerin auf einer unabhängigen Bühne. Das ist der Mutter nicht solide genug, die beiden geraten darüber regelmäßig aneinander. Doch dann hat Alice beim Vortrag an der Universität Blackouts, sie verliert beim Joggen die Orientierung und wirkt verwirrt beim Familientreffen. Der Arzt diagnostiziert frühmanifestierten Alzheimer. Eine seltene Form der Erkrankung, die darüber hinaus vererbbar ist. Für Alice bricht buchstäblich die Welt zusammen. Richard Glatzer und Wash Westmoreland gelingt ein berührend und aufrichtig erzähltes, beeindruckend gespieltes Krankheitsdrama.
Boyhood - 1 Oscar (Beste Nebendarstellerin: Patricia Arquette)
In 163 Minuten erzählt Richard Linklater („Before Sunrise“) in „Boyhood“ (Brotfabrik Bonn, Kinopolis Bonn) aus dem Leben einer Familie von der Einschulung bis zum Abschluss des Sohnes Mason (Ellar Coltrane). Dazwischen liegen die Trennung der Eltern (Patricia Arquette, Ethan Hawke) und das Erwachsenwerden von Mason und der älteren Schwester Samantha (Lorelei Linklater). Zwölf Jahre lang hat Linklater jeweils eine Woche lang mit seinen Darstellern gedreht. Vor allem den beiden Kindern sieht man nun wie im Zeitraffer beim Aufwachsen zu. Eine unglaublich berührende Erfahrung.
Citizenfour - 1 Oscar (Bester Dokumentarfilm)
„Citizenfour“ (OmU in der Filmpalette) ist nicht irgendeine Doku, die versucht, den Weg des Edward Snowden nachzuzeichen. Der hat Anfang 2013 nicht nur zu dem Journalisten Glenn Greenwald, sondern auch zur Filmemacherin Laura Poitras Kontakt aufgenommen. Als Mitte des Jahres endlich ein Treffen in Hongkong zustande kam, war Poitras immer mit der Kamera dabei – Tage, bevor die ersten Daten veröffentlicht wurden. Wir erleben also hautnah, wie der erstaunlich souveräne Snowden sich vorstellt, seine Beweggründe darlegt, das Geheimmaterial erklärt und gemeinsam mit den Anwesenden sowohl die Pläne für die Veröffentlichung als auch für seine Sicherheit entwickelt. Das ist erhellend und zugleich spannend wie ein Politthriller. Daneben zeigt Poitras die Reaktionen der NSA und der Regierung, die im Rückblick ein Hohn sind.
Ida - 1 Oscar (Bester fremdsprachiger Film)
Ein Kloster in Polen Anfang der 1960er Jahre. Novizin Ida steht kurz vor ihrem Gelübde, da schickt sie die Oberin zu ihrer letzten Verwandten, Idas Tante Wanda. Die Begegnung führt die beiden grundsätzlich verschiedenen Frauen auf eine gemeinsame Reise, die das Schicksal von Annas Eltern in den Wirren des Zweiten Weltkriegs nachvollziehen soll. Der polnische Regisseur Pawel Pawlikowski überzeugte zuletzt mit seinem englischen Coming-of-Age Drama „My Summer of Love“. Mit „Ida“ (Odeon) kehrt er zurück in seine Heimat und inszeniert ein betörend bebildertes, stilles Drama in schwarzweiß.
The Imitation Game - 1 Oscar (Bestes adaptiertes Drehbuch)
Während des Zweiten Weltkriegs wird der Mathematiker Alan Turning (Benedict Cumberbatch) beim britischen Geheimdienst vorstellig. Er möchte den Enigma-Code knacken, der die Kommunikation der deutschen Wehrmacht verschlüsselt. Turing ist ein Genie, aber zugleich ein verkorkster Eigenbrötler. Erst die junge Kollegin Joan Clarke (Keira Knightley) vermag ihn etwas aufzuweichen. Regisseur Morten Tyldum liefert mit „The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben“ (Cinenova, Cinedom, Residenz, UCI, OmU im Metropolis) ein ebenso spannendes wie berührendes Drama ab, das auch die historische Bedeutung von Turnings Arbeit vermittelt. Zugleich betrachtet es die tragischen Verstrickungen, die seinerzeit aus der homosexuellen Veranlagung des Code-Knackers hervorgingen.
Selma - 1 Oscar (Bester Song)
„Selma“ (Cinedom, Odeon, UCI, Weisshaus, OmU im Metropolis) ist jene US-Stadt in Alabama, von der aus Friedensnobelpreisträger Martin Luther King (David Oyelowo) im Sommer 1965 gemeinsam mit Aktivisten einen Protestmarsch bis nach Montgomery startet. Ein Marsch gegen Rassismus, ein Kampf um das Wahlrecht für die afroamerikanische Bevölkerung. Ava DuVernays Drama erzählt von den ereignisreichen und historisch bedeutsamen Tagen.
American Sniper - 1 Oscar (Bester Tonschnitt)
Chris Kyle (Bradley Cooper) ist eine lebende Legende. Als bester Scharfschütze der US-Militärgeschichte bewahrt er zahlreiche Kameraden an der Front im Irak vor dem Tod. Zugleich stellt die Pflicht fürs Vaterland sein Familienleben auf den Prüfstand. Hollywood-Legende Clint Eastwood mag den Krieg nicht. Aber er mag sein Land. Eastwoods Leinwandschaffen ist so umfassend wie vielseitig, er inszeniert und verkörpert wortkarge Loner ebenso wie ambivalente, reflektierte Figuren. Und er mag nebenbei immer noch Helden. Das reale Vorbild zu seinem Kriegsfilm „American Sniper“ (Cinedom, UCI, OmU im Metropolis), Chris Kyle, ist ein amerikanischer Held.
Interstellar - 1 Oscar (Beste visuelle Effekte)
Es war bloß eine Frage der Zeit, wann Regisseur Christopher Nolan, der momentan begnadetste Erzähler des epischen, großen Hollywoodkinos, die irdisch angesiedelten Gefilde und Comicwelten hinter sich lässt und ins Weltall vorstößt. Wie schon bei „Memento“, „The Dark Knight“ und „The Dark Knight Rises“ verfasste Nolan gemeinsam mit seinem Bruder Jonathan das Drehbuch. Die Brüder wollen hoch hinaus und kratzen unverblümt an Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“. Mit Zitaten, mit epischer Größe, mit dem nachhallenden erzählerischen Ansatz. „Interstellar“ (OmU im Metropolis) ist ein 170-Minuten-Drama, das vom selbstbestimmten Schicksal der Menschheit unter dem Einfluss einer außerirdischen Intelligenz erzählt und sich dabei der fünften Dimensionen annähert.
Baymax - 1 Oscar (Bester Animationsfilm)
Der kleine Technikfreak Hiro Hamada rettet mit seinem Schmunzelmonster Baymax, ein tollpatschiger Roboterriese im Marshmellow-Outfit, die Stadt San Fransokyo vor einem Verbrecher. „Baymax - Riesiges Robowabohu“ (Cinedom, UCI) von Don Hall und Chris Williams ist ein brillant animierter Disney-Spaß.
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