Mit seiner in der Kölnarena abgehaltenen „größten Deutschstunde der Welt“ schaffte es Bastian Sick im März 2006 ins Guinness-Buch der Rekorde. Nun kommt der gefeierte „Zwiebelfisch“-Kolumnist und Bestsellerautor nach Köln zurück, um „Nur aus Jux und Tolleranz“ wieder über die neuesten sprachlichen Verfehlungen und Irrtümer zu berichten. Er klärt über Bindestrich-Unsinn wie „Tierluft-Ballon“, „Jahrhundert-Wendevilla“ und „Mini-Golfgäste“ auf, weist auf den falschen Einsatz von „Sie“ und „sie“ hin, konfrontiert das Publikum mit Anreden wie „Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder“. Sicks neue Show ist schneller und satirischer – und sie packt den Sprachteufel angriffslustig bei den Hörnern.
Der Teufel steckt weiter im Detail – und die „zunehmende Entprofessionalisierung unserer Gesellschaft beeinflusst unser Sprachvermögen leider negativ“, so Sick im Gespräch mit choices. „In Zeitungen und Synchronstudios wurde früher um jedes Wort und jede Formulierung gerungen.“ Davon könne heute keine Rede mehr sein: Schlussredaktionen würden eingespart, in den unzähligen Kindermagazinen, Lillifee-Heftchen und Computer-Fachmagazinen herrsche die reinste Anarchie. „Gegen eine Spezialisierung in den Medien ist ja nichts einzuwenden, wenn denn Spezialisten am Werk wären“, so Sick. „Früher waren Medien eine Angelegenheit von Profis: Man musste eine entsprechende Ausbildung vorweisen und Erfahrung mitbringen. Vorher wurde man nicht an wichtige Projekte gelassen. Heute soll hingegen alles bunt und knallig sein, die Redakteurinnen jung, sexy und blond, und man hat den Eindruck, sie müssen eine möglichst große Anzahl an Silben in einer Minute unterbringen können.“ Er kritisiert auch Zeitungsverleger, die aus Profitgier miserablen Journalismus anbieten und alle möglichen und unmöglichen Inhalte „rausballern“: „Eine nicht ordentlich redigierte Zeitung ist nicht glaubwürdig.“ Vom Kapitalismus angestachelt, würden die Verleger die deutsche Sprache systematisch vor die Hunde gehen lassen. „Ich mache mir über die Veränderung der Medienlandschaft Sorgen, unter der die Sprache zu leiden hat. Die rasante Entwicklung der Medien, des Fernsehens verändert die Gesellschaft.“ Das Sprachunvermögen kommt der Industrie und Politik zu Gute, die am liebsten den einfach zu steuernden Konsumenten hätte, der in der Großstadt mit einem Geländewagen zum Brötchenholen röhrt. Die Folge: „Keiner denkt mehr an die Gemeinschaft. Wir haben ein Heer von Individuen, in dem jeder nur an sich selbst und die persönliche Bereicherung denkt." Der Erfolgsautor von „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ tadelt auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen: „Es ist ein Skandal, dass einige Fernsehmacher die ,Augsburger Puppenkiste‘ nicht mehr zeigen wollen. Das war kinderfreundliche, ruhige, besinnliche Unterhaltung mit wunderschönen Stimmen. Stattdessen wollen die Redaktionen schnelle Bilder wie in Computerspielen, die die Kinder meschugge machen.“
Sick selbst arbeitet hart an den Texten für seine Bücher und Shows und glaubt an eine Renaissance der Qualität, die der Verdummungsmaschinerie des Fernsehens und der nur noch an PR und Anzeigen interessierten Billigpresse einen heilsamen Schock versetzen wird. In seiner Show kämpft Sick dafür mit Nonchalance und Angriffslust. „Was ich mache, ist pointierte Linguistik. Es ist Unterhaltungsliteratur mit Lehr- und Lernanspruch. Ich versuche dabei, perfekt zu sein. Und ich werde nicht aufhören, nach Perfektion zu streben.“
Bastian Sick: Nur aus Jux und Tolleranz. I Do. 12.4. im Gloria, Apostelnstraße 11. I Karten direkt im Gloria an allen bekannten Vorverkaufsstellen. I www.gloria-theater.com
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