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Olli Schulz am Montagabend
Foto: Andreas Kraus

Sein Herz, das explodiert

04. April 2018

Olli Schulz im Gloria – Konzert 04/18

Köln, 2051. Olli Schulz – Ende 70, mit Greisenbart und Hornbrille – spaziert durch die Stadt, schwelgt in Erinnerungen an eine vergangene Zeit. Die Pate-Filmmusik untermalt das. Schulz sucht nach dem Theater, in dem er 33 Jahre zuvor ein Konzert gegeben hat. Ein denkwürdiges. Schließlich findet er das Gebäude, Großbuchstaben an der Front verraten den Namen des Veranstaltungsorts: Gloria. Mit einem kurzen Schwarz-Weiß-Film beginnt am Montag das Zusatzkonzert von Olli Schulz der „Scheiß Leben, gut erzählt“-Tour – wie der Auftritt am Vortag ausverkauft – in der Apostelnstraße nahe dem Neumarkt. „Am Ende waren alle nackt“, sagt Senior Schulz auf der Leinwand, bevor sein jüngeres Ich die Bühne betritt.

Olli Schulz ist in der Unterhaltungsbranche längst kein Unbekannter mehr. Berühmt machten den Hamburger vor allem seine Momente in den Fernsehshows „neoParadise“ und „Circus HalliGalli“, als Sidekick des Duos Joko und Klaas. In seiner Solo-Sendung „Schulz in the Box“ begeisterte er die Kritiker. Mit Jan Böhmermann moderierte der 44-Jährige zudem den TV-Talk „Schulz & Böhmermann“, nach wie vor moderieren die beiden den Podcast „Fest & Flauschig“. Dabei nahm seine Laufbahn als Person öffentlichen Interesses einen anderen Anfang. Als Musiker.

„Auf der Bühne stehen, Musik machen – das ist das, wo ich ich bin“, erklärt Schulz im Gloria. Er trägt eine Gitarre und ein T-Shirt der Serie „Rick and Morty“; eine Bassistin und ein Gitarrist stehen hinter ihm, ein Schlagzeuger und ein Keyboarder sitzen neben ihm. Die Setlist besteht aus neuen und alten Songs. „Als Musik noch richtig groß war“ verrät dem Publikum im ersten Drittel viel über die Motivation des Singer-Songwriters, „Wenn die Musik nicht so laut wär“ im letzten. „Wenn die Music nicht so laut wär', wär' sie auch nur halb so schön“, heißt es in seinem Lied. Recht hat er – fällt in Köln doch wieder einmal auf, welches Live-Potential in seinen Indie-Rock-Melodien steckt.


Olli Schulz, Foto: Heiko Richard

Dabei machen die Texte die Musik so hörenswert. Mal ernst, mal albern, immer poetisch und kreativ. Olli Schulz weiß, dass er nicht der beste Sänger oder Gitarrist ist. „Ich kann nicht spielen, wenn ihr klatscht“, sagt er an einer Stelle des Konzerts und unterbricht kurz, als die Zuschauerinnen und Zuschauer ihre Hände etwas zu engagiert in Kontakt bringen. Seine Texte haben Schulz in den 2000er Jahren mit seiner Band Olli Schulz und der Hund Marie sowie als Solokünstler zum Geheimtipp gemacht.

Sein Talent als Geschichtenerzähler gibt den Auftritten des Unterhalters ihre besondere Note. Er singt und spielt nicht nur, er erzählt. Davor, danach und zwischendurch. Von seiner Tochter, die eines Tages mit AfD-Luftballons nach Hause gekommen sei, die er dann kaputt gemacht habe. Von den Jungs am Merchandising-Stand, die jeden Single im Publikum noch am gleichen Abend verkuppeln könnten. Von einem Freund seines Großvaters, der sich erhängt habe: „Den hat der liebe Gott mit dem Lasso geholt.“

Nackt war schließlich keiner, für viel Freude sorgte Olli Schulz dennoch. Zum Beispiel, als er ein Video aufnehmen lässt, ein Fake für Social Media: Der Entertainer animiert die etwa 900 Gekommenen, während „Sportboot“ – einem Song mit Rap-Passagen – wie auf einem Hip-Hop-Konzert mitzumachen, mit heftig nickenden Köpfen und auf und ab wippenden Händen in der Höhe.

„Habt keine Angst vor dem Leben“, sagt Schulz vor seinem letzten Lied. „So muss es beginnen“, heißt das. Die ersten Zeilen haben viel mit dem gemein, was der Künstler in den vorigen knapp zwei Stunden ablieferte: „Ich zähl‘ bis zehn und halt‘ die Luft an. Und warte ab, was gleich passiert. Du musst dich nicht wundern. Die Funken werden bunt sein. Es ist mein Herz, das explodiert.“

Felix Tschon

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