Als das Gloria am 30. November 1956 mit der österreichischen Filmkomödie „Verlobung am Wolfgangsee“ sein Kinodasein beginnt, sind die Ringe und auch die Stadtviertel in Köln voller Filmtheater. Das von Klaus Lemke und Karl-Heinz Krüger betriebene Haus ist das 91. Kölner Lichtspielhaus, es bietet 592 Plätze in einem mit den Farben Schwarz, Weiß und Gelb gestalteten Innenraum. Architekt ist der Bergisch Gladbacher Josef Kirspel, dem auch ein besonderes Foyer mit gewölbter Decke und lindgrünen Wänden sowie einem unverwechselbaren Kassenhäuschen gelingt.
In seinen ersten Jahren zeigt das Gloria die großen amerikanischen Komödien, aber auch, fast gleichzeitig zum Start von „Außer Atem“ am Rudolfplatz, erste Nouvelle-Vague-Filme wie Edouard Molinaros „Ein Mädchen für einen Sommer“. Die Krüger-Gruppe betreibt in Köln neben dem Gloria noch das Roxy am Chlodwigplatz, das Olympia am Eigelstein und das Metropol auf der Annostraße. Der Durchbruch des Fernsehens setzt die Kinolandschaft bald unter Druck, die Besucherzahlen rauschen nach unten.
Ab Mitte der 60er spielt das Gloria die ersten erotischen Filme und wird in den 70ern dann zum Nonstop-Pornokino mit Werken aus den Katalogen von Beate Uhse und Mike Hunter. Ab 10 Uhr morgens bis 21 Uhr abends laufen Titel wie „Diana – Love and Extasy“ in „4-Kanal-Dolby-Super-Sound“ in Endlosschleife, bevorzugt für männliche Einzelgänger oder auch die berühmten „toleranten Pärchen“.
Ende der 80er, die Videotheken stehen mit ihren Erwachsenenabteilungen in voller Blüte, ist das Pornokino praktisch tot. Das Gloria droht zu verwaisen. Rainer Büchel und Stephan Dick retten das Haus vor dem Schicksal vieler anderer alter Kinos, die zu ideenlosen Geschäftsräumen oder Diskos umfunktioniert werden. Mit Schaumfeiern, Schlagerveranstaltungen und Rollschuhpartys bedienen sie die schwul-lesbische Community, holen Theaterabende und auch das Fernsehen regelmäßig an die Apostelnstraße.
Ab 2001 machen Michael Zscharnack und Claudia Wedell das Gloria endgültig zur ersten Adresse für Party-, Theater- und Konzertgänger aller Altersgruppen. Mit hochkarätigen Events und einem festen Glauben an die Subkultur wird das Haus zum beliebten Treffpunkt, gerade auch für Menschen, die nicht nur zum Einkaufen in die Stadt kommen. Das Gloria streckt allen Städteplanern und -optimierern, die die Menschen abends möglichst schnell aus der Innenstadt scheuchen wollen, die Zunge raus. „Wir haben die Vision, unseren Gästen ein Zuhause für einen Tag zu bieten, unseren Künstlern die Möglichkeit zu geben, unter würdigen Bedingungen zu spielen und sich dabei wohl zu fühlen“, sagt Geschäftsführer Zscharnack. „Wir haben das große Glück, Menschen aus dem Alltag entführen zu dürfen. Wenn es uns dann gelingt, auch nur einem Menschen einige schöne Stunden zu bereiten, ist das all die Arbeit und Mühe wert.“
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